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24 Stunden

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Titel: 24 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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allerdings deutlich erkennbar.
    »Ihr habt im ganzen Haus Bilder von diesem Typen hängen, nicht?«, fragte er.
    »Ja«, erwiderte Karen, die nur an Abby dachte. »Walter Anderson. Er ist tot.«
    »Ziemlich viel wert das Zeug, was?«
    »Diese Seidenmalerei nicht. Die habe ich selbst gemalt. Aber die Aquarelle sind wertvoll. Möchten Sie sie haben?«
    Hickey lachte. »Ob ich sie haben will? Mich interessiert das einen Scheißdreck. Und morgen früh wirst du jedes einzelne Bild hassen. Du wirst dir wünschen, niemals wieder eines zu erblicken.«
    Er wandte sich von dem Bild ab und lächelte.
    Vierzig Meilen von Jackson entfernt stand mitten in einem dichten Mischwald eine kleine Hütte mit einem Blechdach. Ein alter weißer AMC Rambler stand auf Betonblöcken auf der kleinen Lichtung. Die Grundierung schimmerte überall durch die abblätternde Farbe, und er war von Unkraut überwuchert. Ein Stückchen vom Rambler entfernt stand ein verrosteter Benzintank mit einem schwarzen Schlauch, der über dem Ventil zusammengerollt war. Vogelzwitschern erfüllte die Lichtung. Dazwischen war das schnelle Klopfen eines Spechtes zu hören. Graue Eichhörnchen jagten durch das Unterholz der Bäume.
    Plötzlich verstummten die Tiere. Ein fremdes Geräusch drang durch den Wald. Ein Motor. Ein alter, klopfender Motor, der Dieselwolken ausstieß. Das Geräusch wurde immer lauter, bis ein grünes Dach zwischen den Bäumen auftauchte und ein Pickup auf die sonnenbeschienene Lichtung fuhr. Der Kleinlaster rollte den Pfad entlang und blieb vor der Veranda der Hütte stehen.
    Huey Cotton stieg aus und lief schnell um das Fahrerhaus herum. Die Barbiepuppe guckte aus seiner Hosentasche hervor. Er öffnete die Beifahrertür und hob Abbys reglosen Körper vom Sitz hoch. Wie einen Säugling schloss er sie in seine Arme, stieß die Tür mit der Hüfte zu und ging vorsichtig die Stufen hinauf.
    Die alten Planken knarrten unter seinem Gewicht. Huey blieb vor der Außentür mit dem Fliegengitter stehen, beugte sich hinunter, drückte mit seinem kleinen Wurstfinger auf die Türklinke und trat zurück, bis seine massige Gestalt zwischen die Außentür und die Eingangstür passte. Die Eingangstür gab nach einem Tritt mit seinen Redwing-Stiefeln Größe 50 nach. Er trug Abby in die Hütte, und die Außentür schlug mit einem Knall hinter ihnen zu.
    Will landete die Baron hinter einer alten DC-3, die er sich gerne angesehen hätte, doch dazu fehlte ihm heute die Zeit. Er rollte auf das Flughafengelände und parkte auf einem freien Platz, den ihm ein Angestellter des Bodenpersonals zuwies. Auf dem Airport Gulfport-Biloxi waren Einheiten der Armee und der Luftwaffe stationiert. Überall standen Jagdbomber und Hubschrauber. Die daraus resultierende hohe Sicherheitsstufe schockierte Will immer aufs Neue.
    Er hatte sich per Funk einen Mietwagen bestellt, der schon vor der US-Luftfahrtgesellschaft, die sich um die Bedürfnisse der Privatpiloten kümmerte, bereitstand. Sobald sich die Propeller nicht mehr drehten, kletterte er aus dem Flieger und holte sein Gepäck aus der Kabine: Umhängetasche, Kleidersack, Koffer, Notebook und Golfschläger. Als er das ganze Gepäck zu dem blauen Ford Tempo trug, spürte er stechende Schmerzen in den entzündeten Sakroiliakalgelenken, obwohl er sie mit dem schmerzlindernden Ibuprofen eingerieben hatte.
    Ein Sicherheitsposten erklärte ihm, dass die Interstate 10 East wegen eines quer stehenden Sattelschleppers gesperrt sei. Daher musste Will den am Golf entlangführenden Highway nach Biloxi nehmen. Er hoffte, dass zwischen dem Flughafen und dem Kasino nicht zu viel Verkehr herrschte. Es blieb ihm nur eine knappe Stunde Zeit, bis er im Konferenzsaal stehen musste. Außerdem wollte er noch duschen und sich rasieren, bevor er auf die Empore stieg, um vor den rund 500 Ärzten und ihren Ehepartnern seinen Vortrag zu halten.
    Er brauchte fünf Minuten, um die U.S. 90 zu erreichen, den Highway, der am Golf von Mexiko entlang von Bay St. Louis zur Grenze von Alabama und Mobile Bay führte. Die Sonne wanderte gerade Richtung New Orleans, das 60 Meilen weiter östlich lag, aber es würde noch eine Weile dauern, bis sie unterging. Familien mit Badeutensilien schlenderten am Strand entlang oder ließen Drachen steigen, aber Will sah niemanden im Wasser. Es gab hier kaum Wellen, und das lauwarme, braune Wasser, das ans Ufer plätscherte, war auch nicht besonders einladend. Erst an der Küste von Destin, Florida, zwei Stunden weiter

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