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24 Stunden

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Titel: 24 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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östlich, hatte das Wasser diese smaragdgrüne Farbe, die man am Golf von Mexiko erwartete.
    Will gefiel die Golfküste in Mississippi nicht besonders. Sie sah heruntergekommen und marode aus. Über dem hierher gekarrten Sand und dem braunen Wasser schwebte ein Hauch von Fäulnis und Vergänglichkeit. 1969 war der Hurrikan Camille mit 200 Meilen pro Stunde durch die Gemeinden an der Küste gerast, und danach war alles noch schlimmer geworden. Man hatte das unbestimmte Gefühl, dass die besten Zeiten vorbei waren und nicht mehr wiederkehrten.
    Zwei Jahrzehnte nach Camilles Furcht erregendem Treiben änderte sich durch die Kasinos jedoch alles. Glitzernde Paläste schossen am Strand in den Himmel wie surrealistische Sandburgen. Hier waren Tausende von Menschen beschäftigt, und allen Arten von Dienstleistungsgewerben bot sich ein fruchtbarer Boden, besonders den Pfandhäusern und Geldverleihern, die mit Bargeld lockten. Hier konnte man seinen Sozialhilfescheck zu Bargeld machen oder sein Auto verpfänden, um das Geld dann an den Spieltischen zu verschleudern. Doch nachts sah man nur die leuchtenden Türme und ihre Leuchtschilder im Vegas-Stil über dem dunklen Wasser des Golfes, während Tausende von Wägen mit verzweifelten und naiven Insassen über den Highway krochen.
    Es war für Will ein seltsames Gefühl, so weit von zu Hause entfernt zu sein. Er hatte die Freiheit, überall anzuhalten oder einfach abzubiegen, ohne jemandem Rede und Antwort stehen zu müssen. Natürlich war diese Freiheit eine Illusion. Auf ihn warteten viele Menschen, und er war schon spät dran. Daher trat er aufs Gaspedal, denn eine Verwarnung wäre im Moment das kleinere Übel.
    Je mehr er sich dem Kasino näherte, desto dichter wurde der Verkehr, und er kam nur noch im Schritttempo voran. Er konnte die riesigen Buchstaben des Hotels BEAU RIVAGE, die hoch oben im schwindenden Sonnenlicht glänzten, schon sehen. Kurz darauf bog er vom Highway ab und fuhr vor den geschmackvollen Eingang des Kasino-Hotels. Er war dankbar, dass dort Pagen standen und ihm das Gepäck abnahmen. Das Notebook und den Koffer mit den Medikamenten behielt er bei sich. Er gab einem Pagen die Autoschlüssel und schritt durch die große Tür.
    Die Innenausstattung des Beau Rivage war nach dem Vorbild der riesigen Kasinos gestaltet, die in den letzten Jahren in Las Vegas entstanden waren. Das Kasinohotel war eine fantasievolle Nachbildung von Gebäuden des »alten« Südens, aus der Zeit vor dem Bürgerkrieg. Mit seinen ausgewachsenen Magnolien, die überall im Foyer wuchsen, wirkte es auf Will wie eine Mischung aus Trump Tower und Walt Disney World. Er bahnte sich den Weg an den Spielern im Foyer vorbei und steuerte auf die Rezeption zu. Als er seinen Namen nannte, kam der Hotelmanager aus einem Büro zu seiner Linken und reichte ihm die Hand. Er war groß und zu dünn, und auf seinem Namensschild stand: GEAUTREAU.
    »Ihre Kollegen sind schon ein bisschen nervös geworden, Dr. Jennings«, sagte er mit einem kühlen Lächeln.
    »Ich hatte heute Nachmittag eine lange Operation.« Will tippte auf sein Notebook. »Aber mein Vortrag ist fertig. Ich muss nur noch schnell duschen.«
    Geautreau reichte ihm einen Umschlag mit der Codekarte für das Zimmer. »Sie haben eine Suite im siebenundzwanzigsten Stock, Doktor. Eine Zypressensuite. Einhundert Quadratmeter. Dr. Stein hat mich angewiesen, den roten Teppich für Sie auszurollen.« Saul Stein war der scheidende Präsident der Ärztevereinigung Mississippi. »Sind Sie sicher, dass Sie diese Sachen selbst in Ihre Suite bringen möchten? Ich rufe Ihnen gerne einen Pagen.«
    Wills Lächeln erstarrte ein wenig, als er bemerkte, dass seine Krankheit scheinbar ein offenes Geheimnis war. Er konnte sich gut vorstellen, wie Dr. Stein den Hotelmanager über seine Arthritis aufgeklärt und ihn gebeten hatte, Will kein einziges Gepäckstück selbst in seine Suite bringen zu lassen. Natürlich alles mit den besten Absichten.
    »Nein danke«, sagte er und tippte noch einmal auf sein Notebook. »Das ist eine empfindliche Fracht.«
    »Unser Audio-Video-Experte wartet im Magnolien-Saal auf Sie. Die VIP-Aufzüge befinden sich rechts hinter dem Juwelierladen. Wenn Sie irgendetwas brauchen, melden Sie sich sofort. Verlangen Sie mich bitte persönlich.«
    »Danke, darauf komme ich gerne zurück.«
    Will ging durch das Foyer zu den Aufzügen und bemerkte dabei, wie ein Mann zu seiner Linken versuchte, sich den Weg zu ihm zu bahnen. Es war Jackson

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