24 Stunden
Abby Jennings Schmerzen zufügte, nicht mehr helfen.
Karen schöpfte Hoffnung. Es war nur ein kleiner Hoffnungsschimmer. Wo immer Will auch war, auf jeden Fall dachte er nach. Und er dachte anders als Karen. Sie hatte ihren Mann beim Zulassungstest zur Medizinischen Fakultät um fünf Prozent übertrumpft, und sie war im Kopfrechnen doppelt so schnell wie er. Doch es gab noch eine andere Art von Intelligenz, und über die verfügte Will in großem Maße. Er konnte blitzschnell denken und dabei nicht nur über ein Problem nachdenken, sondern über mehrere gleichzeitig. Karen dachte logisch und überprüfte jede Möglichkeit von Anfang bis Ende, bis sie zu einer vernünftigen Lösung kam. Will konnte angesichts einer Situation in null Komma nichts die Endpunkte von zig Möglichkeiten betrachten und instinktiv die richtige Entscheidung treffen. Er konnte diese Entscheidungen nicht immer logisch erklären, doch sie waren zwangsläufig immer richtig. Einmal hatte er zu ihr gesagt, dass die Entscheidungen objektiv gesehen nicht korrekt seien. Manchmal, sagte er, werde eine Entscheidung nur darum zur richtigen, weil man sie einfach treffe - irgendeine Entscheidung - und diese dann mit vollem Engagement verfolge.
Genauso muss ich jetzt vorgehen, dachte sie.
In diesem Augenblick starrte Will auf das Telefon in dem Schlafzimmer seiner Suite. Es hatte gerade geklingelt, und auch wenn er Cheryls Walther jetzt in der Hand hielt, wusste er, dass es sinnlos war. Wenn sie Hickey sagte, dass er sie überwältigt hatte, könnte Gott weiß was passieren. Allein wenn er sie daran hindern würde, ans Telefon zu gehen, würde Hickey daraus schließen, dass etwas nicht in Ordnung war, und er würde möglicherweise an Abby Vergeltung üben.
Das Telefon klingelte abermals.
»Und was machen Sie jetzt, Sie Klugscheißer?«, fragte Cheryl, die mit ausgestreckten Beinen auf dem Bett saß. Ihr zerrissenes Kleid war auf ihre Hüfte gerutscht, und die Straßenkarte ihrer blauen Flecke schien schweigend zu sagen: »Zum Teufel mit dir.«
Er warf ihr die Waffe auf den Schoß.
Sie lachte, nahm die Waffe in die Hand und ging ans Telefon. Nachdem sie einen Moment zugehört hatte, sagte sie: »Jetzt ja. Der Doktor ist ausgerastet... Er hat mich geschlagen und mir die Waffe entrissen. Wie dieser Typ aus Tupelo... Okay.« Sie hielt Will den Hörer hin. »Er will mit Ihnen sprechen.«
Will nahm den Hörer. »Ja?«
»Doktor, wenn Sie noch mal so eine Scheiße bauen, schneide ich Ihre Kleine in winzige Stücke.«
»Ich verstehe.«
»Sie haben meine Alte geschlagen?«
»Sah nicht so aus, als wäre ich der Erste gewesen.« Hickey schwieg einen Moment und sagte dann: »Das geht Sie doch einen Scheißdreck an, oder?«
»Stimmt.«
»Und denken Sie daran, was ich Ihnen über Ihre Kleine gesagt habe.«
»Ich hab's verstanden. Das war ein Fehler. Ich will einfach meine Tochter zurückhaben.«
Die Leitung war tot.
»Sie sind viel zu weich«, sagte Cheryl. »Wie ein Kind, das von einem Polizisten angehalten wird. Total unterwürfig.«
»Damit kennen Sie sich doch bestens aus, oder? Mit der Unterwürfigkeit.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Na und, ab und zu langt er mir halt eine. Schlagen Sie Ihre Frau nie?«
»Nein.
»Lügner.«
Will sah keine Notwendigkeit, mit ihr darüber zu streiten. »Diese blauen Flecken haben Sie aber nicht, weil Sie ab und zu eine gelangt bekommen. Man sieht doch, dass Sie permanent misshandelt werden.«
»Streiten Sie sich nie mit Ihrer Frau?«
»Wir streiten uns, aber wir schlagen uns nicht. Worüber haben Sie sich denn zuletzt mit Hickey gestritten? Ging es um dieses Kidnapping?«
»Nein, verdammt. Das haben wir schon oft gemacht.«
»Vielleicht haben Sie keine Lust mehr dazu.« Will ließ ihr einen Moment Zeit, darüber nachzudenken. »Ich könnte es mir gut vorstellen. Weil Sie eingesehen haben, wie viel Leid Sie diesen Menschen zufügen. Besonders den Kindern.«
Sie schaute weg. »Reden Sie doch, was Sie wollen. Wissen Sie, was ich gemacht habe, bevor Joey mich aufgegabelt hat?« »Was denn?«
»Ich hab in einer Lastfahrerabsteige gearbeitet. Und da war ich Mädchen für alles, wenn Sie wissen, was ich meine.«
»Das heißt... «
»Ja, genau das heißt es.«
»Wie sind Sie denn da gelandet.«
»Sie reden wie ein Seelsorger. O, Cheryl, du bist so süß, wie konntest du nur da landen? Ich gebe niemandem die Schuld. Vielleicht meinem Stiefvater, aber der ist tot. Meine Mutter hatte ein schlimmeres Leben als
Weitere Kostenlose Bücher