24 Stunden
schuldest du denen Geld. Dann tanzt du acht Stunden am Tag, nur um die Schulden zu zahlen. Und dann packen sie dich. Es gibt immer Möglichkeiten, die Schulden abzuzahlen.«
»Die schnelle Nummer.«
»Jemandem auf der Toilette einen blasen. In einem Auto draußen hinterm Club schnell die Beine breit machen. In irgendeinem Motel nach der Schicht.«
»Mein Gott.«
Ihre Augen wirkten alt in ihrem jungen Gesicht. »Das hält ein Mädchen nicht lange aus. Das sind menschliche Wesen, verstehen Sie? Allein erziehende Mütter, die versuchen, ihre Kinder großzuziehen. Mädchen, die zum Junior College gehen wollen.«
»Und Hickey hat Sie da rausgeholt?«
Sie warf ihm ein zynisches Lächeln zu. »Sir Galahad eilte zu Hilfe. Das war Joey. Eines Nachts zahlte er für eine Nummer im Motel, packte mich in seinen Wagen und fuhr mit mir bis New Orleans. In Gentilly hatte er ein Haus. Er verkleidete die Wände mit Matratzen, vernagelte die Fenster und schloss mich ein.« Bei dem Gedanken daran fröstelte sie. »Kalter Entzug. Er wischte mein Erbrochenes auf und brachte mir Suppe. Mir soll mal einer was von Albträumen erzählen.«
Will versuchte sich vorzustellen, wie Hickey dieses Drama erlebt hatte. Er sah sich wahrscheinlich als eine Art Ritter an, der die hübsche Maid aus dem finsteren Schloss gerettet hatte. Und Cheryl war hübsch - keine Frage. Man konnte sich nur schwer vorstellen, dass ihr bisheriges Leben so grauenvoll gewesen war, wie sie es schilderte.
Will hatte während seiner Zeit als Assistenzarzt in der Notaufnahme 26jährige Nutten gesehen, die wie 50 Jahre alte Frauen wirkten. Cheryl dagegen sah aus wie das blühende Leben. Wie eine junge Frau aus Ole Miss, die nach dem College die Augen nach dem richtigen Mann fürs Leben aufhält. Vielleicht ein wenig harte Züge rund ums Kinn und die Augen, aber sonst makellos.
»Und wie zum Teufel sind Sie dann darauf gekommen, Kinder zu entführen? Hat Sir Galahad Sie deshalb befreit?«
»Nein, so war das nicht. Zumindest nicht am Anfang. Wir brauchten Geld. Joey hat es mit ein paar ehrlichen Jobs versucht, aber das hat alles nicht richtig geklappt. Und ich konnte strippen. Er hat mich in einem Club in Metairie etwas außerhalb von New Orleans untergebracht.
Das war ein schöner Club. Er blieb immer die ganze Nacht, um auf mich aufzupassen. Keine Drinks, keine Drogen. Es war unglaublich, wie viel Geld ich verdient habe. Alle haben gesagt, ich wäre besser als die Tänzerinnen, die ab und zu für die Hauptshow engagiert wurden. Das habe ich dann eine Weile gemacht.« Plötzlich strahlte Cheryl wie Abby mitunter, wenn sie jemandem von ihrer Puppensammlung erzählte. »Ich hatte ein Dutzend verschiedene Klamotten, Requisiten und das ganze Zeug. Mit meinem Jeep Grand Cherokee haben wir eine Tournee durchs ganze Land gemacht: Texas, Colorado. Montana... Puh, das war schon klasse.«
»Aber?«
Sie schaute auf die Waffe auf ihrem Schoß. »Joey wurde eifersüchtig. Ich war so gut, dass ich Angebote bekam. Leute vom Film sprachen mich an. Nicht wie Sandra Bullock, aber trotzdem Hollywood. Softpornos, die im Cinemax gezeigt werden. Und da wurde Joey nervös. Er wollte nicht... Er...«
»Er wollte Sie nicht verlieren«, sagte Will. »Er wollte Sie für sich allein, und zwar für immer.«
Sie nickte betrübt. »Ja.«
»Konnten Sie nicht abhauen?«
»Ich hatte ihm viel zu verdanken, okay? Das können Sie nicht verstehen.«
»Weil Sie mit seiner Hilfe vom Crack losgekommen sind?«
»Nicht nur das.«
»Was denn noch?«
»Wo bleibt mein verdammter Drink?«
Wie auf ein Stichwort klopfte es an der Tür. Will öffnete einer jungen mexikanischen Frau und nahm ihr das Tablett ab. Er gab ihr ein großzügiges Trinkgeld, hängte anschließend das Schild BITTE NICHT STÖREN an die Tür und stellte das Tablett ans Bett.
»Warum sind Sie Hickey zu Dank verpflichtet?«, fragte Will, während er Cheryl einen Bacardi-Cola mit Eis mixte.
Sie nahm das Glas und trank einen großen Schluck von ihrem süßen Drink. Dann einen zweiten. Scheinbar wollte sie zuerst das Glas leeren, bevor sie weitersprach. Will goss seinen heißen Tee in eine Tasse und fügte Zucker und Zitrone hinzu. Der Duft von Earl Grey schwebte durchs Zimmer.
Cheryl trank ihren Bacardi-Cola aus und hielt Will das feere Glas hin, um es nachfüllen zu lassen. Will mixte ihr jetzt einen stärkeren Drink, trank einen Schluck Tee und setzte sich auf den Bettrand.
»Warum sind Sie ihm zu Dank verpflichtet?«
»Den Job,
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