24 Stunden
weh.«
»Ich hasse Spritzen«, sagte Huey wie ein bockiges Kind. »Ich hasse sie. Ich hasse sie.«
»Ich auch.«
»Ich hasse Spritzen«, sagte Huey noch einmal.
»Es gibt kleine und große«, sagte Abby. »Meine Spritzen sind ganz klein. Es gibt auch ganz große. Wenn man Blut abgenommen bekommt. Und manchmal muss mein Dad den Kranken in den Rücken pieksen. Ins Rückenmark. Oder in die Nerven. Das tut am meisten weh. Doch das muss er machen, damit die anderen Schmerzen weggehen.«
»Woher weißt du das alles?«
Abby zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht. Meine Mama und mein Dad erzählen mir ständig irgendwas. Die Kinder in der Schule sagen immer, ich rede wie eine Erwachsene.«
»Willst du Ärztin werden, wenn du groß bist?«
»Ja. Fliegende Ärztin.«
Huey schaute sie mit großen Augen an. »Du kannst doch nicht fliegen, oder?«
»Im Flugzeug, Dummkopf.«
»Oh.«
»Mein Bauch tut weh.«
Huey riss den Mund auf. »Du bleibst hier und spielst mit deiner Puppe, und ich mache dir die größte Portion >Captain Crunchc, die du je gesehen hast.«
Ehe Abby ihn daran erinnern konnte, dass sie dieses knusprige Müsli nicht essen durfte, war der Riese schon aufgestanden, um in die Küche zu gehen. Nachdem er drei Schritte gemacht hatte, blieb er stehen und fasste sich an den Kopf, als hätte er etwas vergessen.
»Dumm, dumm, dumm«, sagte er.
Er ging zu Abby zurück, beugte sich hinunter und hob das Nokia-Handy auf, das neben Abby auf dem Boden lag. »Joey hat gesagt, ich muss es überallhin mitnehmen. Lass es nirgends liegen. Er hat mir sogar noch eine Batterie gegeben.«
Abby schaute verzweifelt auf das Handy. Sie dachte an ihre Mutter, die ihr erklärt hatte, wie sie die Polizei anrufen sollte.
»Ich komme gleich wieder«, versprach Huey. »Warte hier auf mich.«
Er ging in die Küche und ließ Abby mit seinem Schnitzmesser und dem unförmigen Holzklotz allein in dem Wohnraum der Hütte zurück. Sie konnte seinen Rücken sehen, als er einen Schrank öffnete. Dann verschwand er aus ihrem Blickfeld, und sie hörte ein dumpfes Geräusch. Die Kühlschranktür.
Abby drehte sich zum Fenster um. Draußen war es stockdunkel. Sie hasste die Dunkelheit, aber sie hörte nun deutlich die Stimme ihrer Mutter von vorhin: Nimm das Handy und versteck dich... Das hätte sie nicht gesagt, wenn sie gewollt hätte, dass sie bei Huey blieb. Was aber sollte sie da draußen machen? Sie kannte den Weg nach Hause nicht, und sie wusste noch nicht einmal, wie weit es bis nach Hause war. Und ohne das Handy konnte sie niemanden anrufen.
Sie hörte ein Klirren, und dann brummte Huey sich etwas in den Bart. Sie mochte Huey. Doch er war ein Fremder, und ihr Dad hatte ihr immer und immer wieder gesagt, wie böse Fremde sein konnten, auch wenn sie nett zu sein schienen. Er tat ihr Leid, aber immer wenn sie den Blick hob und sah, dass er sie beobachtete, spürte sie ein merkwürdiges Gefühl im Magen. Wie eine große Blase, die gegen ihr Herz drückte. Gleich würde er mit einer Schüssel Zerealien, die sie töten könnten, zurückkommen. Abby schloss die Augen und stellte sich das Gesicht ihrer Mutter vor. Was würde sie sagen, wenn sie jetzt mit mir sprechen könnte?
Lauf!
Abby stand mit ihrer Barbie auf und machte einen zögernden Schritt auf die Tür zu. Als sie einen Blick in die Küche warf, sah sie Hueys Schatten auf dem Boden. Sie lief zur Tür, nahm die kleine Kühltasche, die ihre Mutter ihr mitgebracht hatte, und verschwand geräuschlos durch die Tür.
Auf Hickeys Gesicht breitete sich ein verzerrtes Grinsen aus, als er zwei Schritte auf Karen zuging. Sie hielt seinem Blick stand und versuchte, ihre Angst zu verbergen.
»Benutzen Sie bitte ein Kondom...«
»Tut mir leid, Püppchen. Heute nicht.«
Ein Schauer des Ekels lief ihr über den Rücken. Hickey konnte Gott weiß welche Krankheiten haben. Er war im Gefängnis gewesen, und die HIV-Rate hinter Gittern war astronomisch.
»Bitte«, flehte sie. »Ich möchte nicht...«
»Ich hab seit der Mittelschule kein Gummi mehr benutzt, und ich werde bestimmt nicht heute damit anfangen.«
Karen versuchte, die aufsteigende Übelkeit zu unterdrücken. »Ich muss ins Bad.«
»Ich komme mit.«
»Mein Gott! Diesen Rest an Intimität können Sie mir wohl noch zugestehen.«
»Was gibt's denn im Badezimmer? Noch eine Waffe?«
»Mein Diaphragma, okay? Ich möchte nicht schwanger werden.«
Hickey grinste wieder. »Ach, ich weiß nicht. Du siehst aus, als hättest du gute
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