24 Stunden
zeigen.« Sie lächelte, als sie daran dachte. »Einige sind auch durchgedreht. Sie sind nach Hause gerannt und haben ihrer Frau alles gebeichtet, oder sie haben versucht, Joey umzubringen, oder... «
Sie verstummte, und es herrschte einen Moment Schweigen. Will wusste, was sie hatte sagen wollen. »Einige haben Selbstmord verübt«, sagte er. »Stimmt's?«
Cheryl schielte auf den Fernseher. »Ja, einer. Es war schrecklich. Er hat den Film auf dem Video laufen lassen, als er sich erschossen hat. Seine Frau hat ihn gefunden. Können Sie sich das vorstellen?« Sie goss sich Rum ins Glas, aber keine Cola. »Die Bullen haben uns fast erwischt. Danach hat Joey eingesehen, dass das der falsche Weg war. Er hat sich überlegt, dass wir nur wenige Jobs mit einem geringen Risiko machen sollten, bei denen aber eine Menge Kohle rüberkommt.«
»Kidnapping?«
Sie nickte. »Als Joey an der Erpressungsklamotte arbeitete, wurde ihm klar, wovor die Typen am meisten Angst hatten. Sie hatten viel mehr Schiss davor, ihre Kinder zu verletzen als ihre Frauen. Der Gedanke, dass ihre Kinder die Achtung vor ihnen verlieren könnten, war ihnen unerträglich. Sie lebten für ihre Kinder. Daher kam Joey auf die Idee, dass wir am meisten Kohle machen könnten, wenn wir die Typen für ihre Kinder zahlen lassen.«
»Das ist aber viel riskanter als Erpressung.«
»Ja, wenn man es so macht, wie es die anderen machen. Das ist so, als würde man das FBI bitten, mit einer SWAT-Einheit über einen herzufallen. Joey ist cleverer. Aber das muss ich Ihnen ja nicht erzählen, oder?«
Will setzte sich auf den Stuhl am Fenster. Es hatte sich schon so viel in dieser Nacht ereignet. Und diese letzten Enthüllungen von Cheryl brachten nun die ganze Wahrheit ans Licht. Man hatte nicht ihn speziell ausgewählt. Er war bloß der Letzte in einer langen Reihe von Opfern, auf die sich ein Mann, der sich die menschlichen Schwächen zunutze machte, spezialisiert hatte.
Hickey hatte daraus einen Beruf gemacht, eine Kunstfertigkeit, und Will sah auch jetzt keinen Ausweg, um sich und seine Familie aus den Klauen dieses Mannes zu befreien.
»Ich möchte Sie etwas fragen.«
»Ja?«
»Hat einer der anderen Väter Ihr Angebot angeno mmen?«
Cheryl verschränkte die Arme hinterm Kopf, damit ihre Implantate besonders gut zur Geltung kamen, und lächelte verschmitzt. »Zwei von fünf. Die anderen haben sich die ganze Nacht gequält. Die beiden haben geschlafen wie die Murmeltiere.«
Trotz seiner Worte über menschliche Schwächen konnte Will nicht glauben, dass Väter, deren Kinder in Lebensgefahr schwebten, mit der Frau des Entführers schlafen konnten. Das war ihm unbegreiflich. Und doch wusste er, dass es möglich war. »Sie lügen«, versuchte er sich einzureden.
»Sagen Sie, was Sie wollen. Ich weiß, was ich weiß.«
Special Agent Bill Chalmers bedankte sich bei einem schwarzen Detective der Mordkommission namens Washington und schloss die Tür des Vernehmungszimmers. Dr. McDill und seine Frau waren dem Wagen des FBI-Agenten vom Sitz des FBI zum Polizei-Revier, das nur ein paar Häuserblocks entfernt war, gefolgt. Jetzt sollten sie sich mit dem beschäftigen, was auf dem Metalltisch vor ihnen lag: ein fast ein Meter hoher Stapel von Aktenordnern, in denen die Fotos von Verbrechern katalogisiert waren.
»Ich weiß, der Raum ist nicht besonders«, sagte Chalmers, »aber besser als das Großraumbüro.«
»Das müssen ja Tausende von Fotos sein«, sagte McDill.
»Mindestens. Ich bin im Büro und logge mich in das Programm der Landeskriminalbehörde ein. Mal sehen, ob ich in dem NCIC etwas finde. Ich werde alle Fälle von Kidnapping mit Lösegeldforderungen im Südosten prüfen und die Namen Joe, Cheryl und Huey als Namen und Decknamen im Strafregister suchen. Der Name Joe ist ja ziemlich verbreitet, aber bei den anderen könnten wir vielleicht Glück haben.
Ich habe auf dem Weg hierher auch schon über Handy mit meinem Boss gesprochen. Er muss gleich hier sein. Im Moment weckt er ein paar Banker auf, damit sie überwachen, ob hohe Geldsummen morgen Vormittag an die Golfküste geschickt werden. Sie werden das dann sofort melden.« Chalmers schaute auf die Uhr. »Ich meine natürlich heute Morgen.«
McDill seufzte. »Hätten Sie vielleicht einen Kaffee für uns?«
»Aber sicher! Wie trinken Sie ihn?«
»Schwarz bitte. Und du, Margaret?«
»Könnte ich wohl einen Tee haben?«, fragte sie leise.
Chalmers lächelte sie an. »Das weiß man hier nie. Ich schaue
Weitere Kostenlose Bücher