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240 - Zeitsplitter

240 - Zeitsplitter

Titel: 240 - Zeitsplitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Weinland
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oder Crow das rief. Irgendetwas sirrte an seinem Ohr vorbei, streifte seine Schulter, schien das Gelenk explodieren zu lassen, wollte ihn aus der Bahn werfen. Er ignorierte den Schmerz und rannte weiter auf den Lichtstreifen zwischen den Torflügeln zu.
    Plötzlich weitete sich der eben noch handtuchschmale Streifen zu einem heller werdenden Dreieck. Die rechte Torhälfte hatte sich aus den Angeln gelöst und klappte jetzt auf Matt zu, drohte ihn zu zerschlagen wie eine monströs große Fliegenklatsche.
    Er warf sich zur Seite, rollte ab.
    Neben ihm erzitterte der Boden ganz kurz noch heftiger, als die schweren Torbretter aufschlugen und ihn so knapp verfehlten, dass Matt ein Zupfen an der Wade verspürte.
    Dann nutzte er die Chance und katapultierte sich aus der Hocke durch die jetzt ausreichende Öffnung ins Freie hinaus. Wieder landete er hart auf dem Boden, wieder verwandelte er den Aufprall in eine Rolle, die ihn noch zwei, drei Meter weiter von der Scheune wegbrachte –
    – die jetzt vollends einstürzte.
    Es sah aus, als verbeugte sich das Gebäude vor Matt.
    Die Vorderfront knickte nach innen weg, das Dach neigte sich ihm entgegen. Einen furchtbaren Moment lang war Matt überzeugt, die ganze Dachkonstruktion würde auf ihn zurutschen, um ihn doch noch zu begraben. Dann barsten auch die hinteren Tragbalken mit dem Geräusch gefällter Bäume und das Dach sackte auch dort nach unten, wie ein sehr müder, sehr schwerer und sehr großer Hund sich hinfallen ließ.
    Erleichterung stieg in Matt auf und ließ ihn sich tatsächlich, wenn auch nur zwei oder drei Herzschläge lang, federleicht fühlen, und er gestattete sich, dieses Gefühl einfach nur zu genießen.
    Noch halb im Liegen ließ er den Blick schweifen.
    Mit unheimlicher Plötzlichkeit war Stille eingekehrt. Wahrhaft atemlose Stille; Matt ertappte sich dabei, die Luft anzuhalten. Nichts regte sich, nichts verursachte auch nur den allerkleinsten Laut. Das Geräusch, mit dem Matt sich auf dem staubigen Boden drehte und aufstand, kam ihm so laut vor, als müsste man es meilenweit hören. Bis hinunter zum Meer. Bis hinunter nach… »Großer Gott!«, entfuhr es Matt. Seine Lungen schienen schmerzhaft in sich zusammenzufallen. Der Boden, auf dem sie sich befanden, hörte auf, sich zu verwerfen, horte auf, Risse zu bilden und alles, was mit Gottvertrauen auf ihm errichtet worden war, durchzuschütteln.
    »Wo sind wir?«
    Crows Stimme, die unvermittelt sein Ohr erreichte, konnte Matt nicht überraschen, nicht jetzt, im Angesicht der Erkenntnis, die wie eine Monsterwelle auf ihn zuraste, ihn packte und aus dieser Realität fortzureißen schien.
    Weil es diese Realität nicht geben konnte.
    Das Bild, das sich Matts Augen bot, schien seine Farben auszubluten. Die Wirklichkeit wurde wie zu einer Schwarz-Weiß-Fotografie reduziert.
    Zu einer jener Schwarz-Weiß-Fotos, wie Matt sie vor langer, langer Zeit im Unterricht auf der Highschool gesehen hatte, an die Wand projiziert im abgedunkelten Klassenzimmer, schrecklich und beklemmend einerseits und andererseits doch unwirklich, eben weil ihnen die wirklichen Farben fehlten…
    »Drax, hören Sie mich?« Crow stieß ihn an. Matt nickte lahm.
    »Ja, ich… ich glaube, ich weiß, wo wir sind«, antwortete er endlich und ebenso lahm und mit erstickter Stimme, weil seine Kehle wie zugeschnürt war.
    Sie befanden sich nicht mehr in der Hydritenanlage, und sie waren nicht mehr in der Antarktis. Sie standen auf einer Anhöhe, von der aus sich ein prächtiger Blick auf einen endlos weiten, schiefergrauen Ozean bot.
    Der Pazifik… Und das hier ist Pacific Heights.
    Matt war schon einmal hier gewesen, vor… Der Versuch, diesen Gedanken richtig zu formulieren, wollte ihm einen Knoten ins Gehirn schlingen.
    Mit Liz war er hier gewesen, mit seiner Frau Liz, damals… Nur hatte die Anhöhe ganz anders ausgesehen. Noble Villen hatten sich aneinander gereiht. Pacific Heights war das Viertel der Betuchten.
    Liz hatte fotografiert, von hier aus, mit drei, vier verschiedenen Kameras, einer Unzahl von Objektiven, die Matt für sie heraufgeschleppt hatte. Sie hatte genug Fotos gemacht, um einen Bildband zu füllen über…
    »San Francisco.«
    »Was?« Crows Blick und Frage trafen Matt wie eine Ohrfeige. » Wo sind wir?«
    »In San Francisco«, wiederholte Matt. Er nickte träge, konnte es ja selbst kaum glauben und schon gar nicht fassen. Auch wenn es keinen Zweifel gab, ein Irrtum ausgeschlossen war – diese Stadt dort unten war San

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