2400 - Zielzeit
Achseln. „Nicht mehr als eine Vermutung, zugegeben, aber eine begründete." Der alte Mann grinste dünn. „Falls du je mit irgendwem tauschen möchtest, ich stehe zur Verfügung. Falls du allerdings Medikamente möchtest ... Ich kann dir leider keine verschreiben."
Mondra Diamond presste für einen langen, tiefen Atemzug die Lippen zusammen. „Du hast keinem davon erzählt?", vergewisserte sie sich. „Für die vergleichende Statistik wurde das Mondgehirn NATHAN benutzt. Aber kein Mensch außer mir kennt die Resultate."
Sie starrte lange auf ihre Fingerspitzen.
Schließlich nickte sie. „Danke, Doktor. Und ich bitte nochmals um Entschuldigung, dass ich nicht warten konnte. Unser Patienten-Verhältnis ist ab sofort beendet, es könnte nämlich sein, dass wir uns sehr lange Zeit nicht mehr sehen.
Aber nur keine Sorge, das heißt nicht zwingend, dass ich explosiv gealtert oder gestorben bin. Ich wünsche dir Glück – und natürlich einen ungestörten Schlaf für heute."
Mearns-Binet winkte müde. Er reichte ihr die Hand, tätschelte Norman die Ohren und verließ das Zimmer durch die Hintertür.
Mondra dachte an die Zeit ihrer Mutterschaft zurück. In den Tagen damals hatten sich Rhodans und Mondras Wege getrennt.
Die Liebe füreinander ging verloren – und so standen die Dinge bis heute.
Aber wenn Mearns-Binets Diagnose tatsächlich stimmte, wenn Mondra tatsächlich durch einen Zellduschen-Effekt unsterblich geworden war, unterlag sie früher oder später den Lernprozessen der Unsterblichen.
Sie würde lernen müssen, allein zu sein.
Vielleicht Jahrhunderte oder Jahrtausende.
Solange der ungewisse Segen, der ihr gespendet wurde, denn anhielt.
Damit kam als Partner für Mondra Diamond nur ein anderer Unsterblicher infrage.
*
Als Rhodan in dieser Nacht sein Appartement betrat, hoch oben in der Residenz, brannte in sämtlichen Zimmern Licht. In der Luft lag ein Geruch, den er nicht kannte.
Die Müdigkeit verflog aus seinen Gliedern. Er riss die Augen auf. „Mondra?"
Ihr ID-Muster war bekannt, und der Türservo hatte Weisung, sie jederzeit einzulassen. Aber niemanden sonst. Keine Antwort.
Im Flur lagen zwei gepackte Reisekoffer, damit er im Verlauf von Operation Tempus nicht auf persönliche Gegenstände verzichten musste. Keiner der Koffer war angerührt.
Rhodan trat in den Flur, prüfte jeden Raum, die rechte Hand an dem Mikro-Nadler, den er am Unterarm verborgen bei sich trug.
In dem kleinen Arbeitszimmer sah er schließlich einen Mann sitzen.
Rhodan ließ den Nadler stecken: Der Mann war Lotho Keraete, der Bote von ES.
Ein Vertreter jener Wesenheit, die die Menschheit über Jahrtausende beschützt hatte.
Keraetes Anwesenheit in Rhodans Appartement war eine Unmöglichkeit, denn die Superintelligenz ES hatte schon vor über dreißig Jahren die Milchstraße verlassen, vermutlich sogar die gesamte Mächtigkeitsballung. Damals hatte ES angekündigt, die Superintelligenz müsse sich um noch unbekannte Teile der Mächtigkeitsballung kümmern. Und nun war Keraete doch wieder da.
Der Körper des Boten bestand aus einem exotischen, dunklen Metall. Er war aus einem Menschen hervorgegangen, doch wie viel Menschlichkeit noch in dem Korpus steckte, ließ sich nicht beantworten. Rhodan fiel auf, dass der metallene Leib keinen Schatten warf. „Ich grüße dich, Perry Rhodan. Täusche dich nicht, ich sitze nicht in Person vor dir, sondern als materielle Projektion. Ich habe dem Nukleus der Monochrom-Mutanten zu danken. Aus eigener Kraft wäre mir eine Kontaktaufnahme zu dir nicht möglich. Dazu befinde ich mich körperlich zu weit entfernt."
Rhodan fragte schnell: „Nämlich wo?"
„Bei ES natürlich."
„Und wo ist das?" Über das dunkle Gesicht legte sich der Anflug eines Lächelns. Das Metall verzog sich mit der Geschmeidigkeit menschlicher Haut. „Dieses Wissen ist geheim.
ES hat beschlossen, sich an dem Krieg um die Negasphäre Hangay nicht direkt zu beteiligen. Es wäre also fahrlässig, die Koordinaten preiszugeben."
Rhodan trat an seinen Arbeitstisch und warf die Aktenmappe hin, die er sich als Bettlektüre mitgebrachte, hatte. Er aktivierte den Holosensor.
Jede Bewegung, die Lotho Keraete machte, wurde von der Sekunde an aufgezeichnet, zeitgleich in seinem Tischgerät und in den Speichern von LAOTSE, der Biopositronik der Residenz. Keraete unternahm nichts dagegen. „Aber ES hat deshalb die Menschheit nicht vergessen", fügte der Mann aus Metall an, „auch wenn es für eine
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