2400 - Zielzeit
auf dem der Bote eben noch gesessen hatte, war von einer Sekunde zur anderen leer.
Allein die Silberkugel blieb zurück.
Rhodan wartete, doch Keraete kehrte nicht wieder. Er absolvierte einen Kontrollgang durch das Appartement, konnte jedoch keine weitere Spur des Eindringlings entdecken. „LAOTSE!", sprach er laut.
Die Verbindung aktivierte sich mit einem Signalton. „Wie kann ich dienen, Perry?", fragte die künstliche Stimme der Biopositronik. „Ich habe soeben eine Holoaufzeichnung an deine Speicher geschickt. Spiel mir diese Aufzeichnung noch einmal vor."
Im selben Moment sah er über dem Arbeitstisch sich selbst erscheinen, als verkleinertes Hologramm. Nur Keraete war nicht sichtbar. Rhodan sah sich selbst zu, wie er zu einem leeren Stuhl sprach, er hörte seine Fragen, seine aufgeregte Forderung um Hilfe – aber kein Wort von Lotho Keraete.
Der Bote hatte es ja selbst gesagt: Er war nur als Projektion zugegen gewesen.
Was wiederum erklärte, weshalb die Alarmanlage auf die Anwesenheit des Boten nicht angesprochen hatte.
Doch warum hatte im Appartement das Licht gebrannt? Die Silberkugel war jedenfalls real, davon überzeugte Rhodan sich. Er fühlte den kühlen, rätselhaften Stoff mit seinen Fingerspitzen. Das Objekt wog nur wenige Gramm, es besaß jedoch eine beachtliche Masseträgheit.
Rhodan ging ins Wohnzimmer nebenan, kramte eine Reisetasche hervor und verpackte das Objekt darin. Was, wenn er tatsächlich seine Meinung ändern wollte? Was vergab er sich, wenn er Keraetes Angebot akzeptierte?
Rhodan nahm die Reisetasche – und legte sie zu seinem Gepäck für die Vergangenheit
3.
Bei Morgengrauen des 12. April sandten Malcolm S. Daellian und Oberst Ahakin ihr Bereit-Signal. Rhodan hatte darauf gewartet. Er beorderte seine wichtigsten Begleiter zur Aaron-Quippo-Werft, ohne Zeit zu verlieren: Mondra Diamond, den Mausbiber Gucky und den Haluter Icho Tolot. Auch Alaska Saedelaere, der Friedensfahrer, war mit von der Partie, Daellian selbst als wissenschaftlicher Leiter der Operation sowie die geheimnisvollen Algorrian um Le Anyante und Curcaryen Varantir.
Rhodan nahm sich Zeit für einen letzten Ausflug. Er summte an Bulls Bürotür, und er war nicht einmal überrascht, den Minister an der Arbeit vorzufinden: vor sich Typenblätter der Heimatflotte Sol, gegenübergestellt den Traitanks der Terminalen Kolonne. Balkendiagramme zeigten den Gefechtswert an, und wer aufseiten der Terraner stand, dem konnte bei dem Anblick mulmig werden.
Allein der Kristallschirm sicherte noch die Existenz der Menschheit. Und wie lange dieser Bestand haben würde, konnte keiner sagen. „Hast du Zeit für einen Ausflug, Dicker?"
Der rothaarige Mann drehte sich müde um. In seine Augen trat ein Funke Hoffnung, als er Rhodans Entschlossenheit sah. „Zur JULES VERNE ...?"
„Natürlich!"
„Es geht also tatsächlich auf die Reise."
„Mmmh."
„Ich könnte zum Abschied winken oder so", überlegte Bull. „Gib mir zehn Minuten Zeit für einen Smoking – ach verdammt, ich nehme einfach ein Taschentuch. Irgendwas, womit ich mir traurig die Nase putze, wenn ihr weg seid."
Rhodan neigte den Kopf. „Das wäre eine nette Geste."
Gemeinsam mit Bull ließ er die Residenz hinter sich. Möglicherweise für lange Zeit, und wenn Lotho Keraete Recht behielt, vielleicht sogar für immer – aber das war nicht die Sorte Gedanke, die er heute brauchen konnte.
Ein Käfigtransmitter strahlte sie zum Mond ab. Diverse Gleiterwechsel später erreichten sie das Ziel – garantiert ohne Verfolger.
Unter den Schutzschirmkuppeln, in den Arealen nahe der Werft, herrschte Hochbetrieb: Eine Wolke aus Schleppern rückte auf Posten, über den Komponenten der JULES VERNE, in einem scheinbar chaotischen Manöver, das gleichwohl minutiös geplant war. Tausende Techniker überwachten die Szenerie.
Rhodan und Bull warteten ab, bis das letzte Besatzungsmitglied im Schiff verschwunden war. Nach kurzer Zeit hatten sämtliche Shuttles die Baustelle verlassen.
Nur Rhodan selbst blieb noch außerhalb zurück.
Die VERNE-1, die VERNE-2 und der Mittelzylinder hingen schwerelos in Position. Meiler-1 und Meiler-2 standen bereit, ebenso der Leitstand des Kontextwandlers.
Die technische Leitung erteilte das Startsignal zur Hochzeit: der Vereinigung der Komponenten. Ein Dröhnen füllte die Luft, allgegenwärtig und von einer akustischen Präsenz, die Rhodans und Bulls Füße zittern machte. In die Baustelle kam Bewegung.
Die VERNE-1 und
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