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2410 - Der Kontaktwald

Titel: 2410 - Der Kontaktwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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vergessen durfte, dass „draußen", in ihrer realen Welt, ein grausamer Krieg tobte.
    Doch selbst falls sie dies jemals vergaß, wusste sie, dass der Wald sie daran erinnern würde ...
     
    *
     
    Je näher sie dem Waldherzen kam, desto unglaublicher wurde ihre Umgebung. Es mochte ja sein, dass sie sie durch einen inneren Filter sah und über die Maßen mystifizierte. Aber die Stimmen des Waldes existierten, flüsterten für sie. Die Gerüche, die Blüten, die Wärme, der Atem einer unglaublichen Schöpfung, so weit entfernt von allem, was sie von „draußen" kannte ...
    All das umfing sie, schloss sie mit jedem Schritt stärker ein. Ebenso verhielt es sich mit den Schatten, die realer waren als Spielereien des Lichts, denn sie wogten auch an Stellen, an denen kein Licht sein konnte. Die Schatten existierten, auf einer tieferen Ebene, ihre Essenz glitt zwischen den Ästen und Zweigen und Blättern hindurch, tief verborgen im Dickicht und doch sichtbar.
    Afa-Hem-F’ur tat Schritt vor Schritt, ohne sich dessen bewusst zu sein; für sie war ihre Fortbewegung ein Schweben, Gleiten und Hindurchschlüpfen. Lichterspiel und Schatten folgten ihr. Sie wisperten und flüsterten, manchmal glaubte sie sogar, sie singen zu hören.
    Die Schatten begleiteten sie, folgten ihr, schirmten sie ab. Afa-Hem-F’ur war überzeugt davon, dass sie sie irgendwie auch beschützten. Solange sie bei ihr waren, konnte ihr nichts passieren. Sie behüteten sie und passten auf sie auf.
    Die Kartanin durchquerte Lichtungen, umrundete Bauminseln, sprang über Gebüsch und lief den Weg entlang, der nur für sie existierte – bis sie endlich vor dem größten von allen Wundern stand.
    Das Herz des Waldes war so überwältigend wie beim ersten Mal, als sie mit Ar-Dus-Taar an diesen Ort gelangt war.
    Sie befand sich im tiefsten aller Geheimnisse und fühlte sich so geborgen, wie sie es vielleicht nur im Mutterleib gewesen sein mochte. Im Herzen war es warm, Friede herrschte, Ruhe umhüllte sie.
    Und in dieser Stille dufteten die weichen Regenbogenstimmen, jene Kommunikationsform des Waldes, die Fühlen, Sehen, Hören und Riechen umfasste und für die Worte eine höchst unzulängliche Form des Austauschs bedeuteten.
    Afa-Hem-F’ur versuchte sich auf die „Stimmen" einzulassen, den Takt zu finden, in dem das Herz des Waldes schlug. Mochte alles andere im Kontaktwald stetiger Veränderung unterworfen sein, galt dies nicht für diesen letzten Teil des Weges, seitdem die ersten Pflänzchen gesprossen waren. Der Wald brauchte sich dort nicht zu verändern, denn kein ungebetener Gast drang je so weit vor.
    Die Lichtung ...
    Ein indigoblauer Himmel wölbte sich über sie. Afa-Hem-F’ur konnte nicht sagen, ob es ein Himmel war wie über den anderen Teilen dieser Welt oder ob er aus Pflanzen gesponnen war, ein samtener Baldachin mit Sternen darin – oder Blüten?
    Überall im Herzen öffneten sich Blüten, die in unbekannten Farben sprachen, tropfte Tau in ungehörten Klängen zu Boden, streichelte schwerer, süßer Duft den Pelz der Kartanin. Es war fantastisch. Alles war Geflecht, alles prangte und funkelte, alles war eins mit dem anderen. Es war Friede ...
    Dann öffneten ihre Sinne die Kommunikationskanäle.
    Und der Wald sprach ...
     
    *
     
    Afa-Hem-F’ur fühlte die Berührung Ar-Dus-Taars, als sei die Freundin noch immer da, als halte sie sie bei der Hand.
    Vielleicht verhielt es sich tatsächlich so. Wer konnte sagen, ob es dem Wald nicht möglich war, die Essenz seiner Besucher zu speichern, sodass sie niemals wirklich gingen, wenn sie die Schatten der Bäume verließen? Manchmal schien es der Kartanin beinahe so.
    Der Wald sprach zu ihr: Farben geronnen in ihren Ohren zu bitterem Samt und tropften als Worte aus dem Mund.
    ... 14.036 Traitanks operieren bei Karapon ...
    Sie vergaß nicht, den Memokristall zu aktivieren, den sie wie hingezaubert in ihrer rechten Hand hielt, wenige Zentimeter vor dem Mund.
    ... 22 Kolonnen-Forts im Sektor Tambau ...
    Es schien so weit weg zu sein, unwichtig für eine Wesenheit wie den Kontaktwald. Und doch war sie genau deswegen hergekommen. Es war wichtig – für „die andere" Welt, die reale, aber irgendwie auch für den Wald.
    Warum sonst sagte er es ihr?
    Afa-Hem-F’ur wandelte die Tonfarbklanggeschmäcker des Waldes in Wörter der realen Welt um, für den Kristall. Sie verloren dabei an Tiefe und Brillanz, wirkten schal und farblos und blieben dabei das Einzige, was in der „Realität" Bestand

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