2413 - Das Genetische Magazin
führten den Befehl aus, den sie von ihm vor vier Wochen erhalten hatten. Sie setzten das Urbild schonend außer Gefecht.
Das Leben eines Kolonnen-Anatomen bedeutete nichts im Vergleich mit dem eines Urbilds.
Sheymor Merquin sah, wie Roi Danton über dem Tisch der kleinen Arbeitsbucht zusammenbrach und in die nutzlosen Einzelteile stürzte, die eine Versuchsanordnung simulieren sollten.
Seine verkrampften Hände schienen nach etwas zu greifen, was auf dem Tisch lag, etwas, das er brauchte, um auch in Zukunft seine Bewegungsfreiheit zu erhalten.
Aber was? Sosehr Sheymor Merquin seine müden Gedanken anstrengte, es fiel ihm nicht ein, was es in dem Haufen Folien, Kristallen, Werkzeug und elektronischen Einzelteilen hätte sein können.
In diesem Augenblick begriff der Kolonnen-Anatom endgültig, dass nicht Pharoib Inssino sein Gegner gewesen war, sondern das Urbild. Merquin starb ebenso wegen Danton wie Inssino. Der Terraner hatte sie gegeneinander aufgehetzt, besser noch, er hatte ihre Schwächen ausgenutzt, um sie in den Tod zu treiben.
Und das Wissen um die Bestien ... verloren ... welche Schande ... und dieser verfluchte Terraner hat es bestimmt genau so geplant ...!
Sheymor Merquin versuchte tief Luft zu holen, es ging nicht. Er brachte keinen richtigen Atemzug mehr zustande.
Seine Lunge füllte sich mit Blut. Mühsam bewegte er die Kiefer, wollte den Robotern mitteilen, dass das Urbild schuld an ihrem Tod war.
Er brachte keinen Ton mehr hervor.
Erst gefror sein Körper ein, dann sein Gesicht. Als es um ihn dunkel wurde, wusste Sheymor Merquin, dass es so weit war.
Zwischenspiel 2
Mairn Thuin sah den Leiter des Magazins rennen und las die Warnung auf ihrem Holoschirm. Sheymor Merquin war widerrechtlich in das Magazin eingedrungen. Die Kolonnen-Anatomin wunderte sich schon seit Längerem über die Geheimniskrämerei der beiden Kollegen. Den Sperrbezirk in der Senke hatte sie noch akzeptiert, weil er dem Sichtschutz der Urbilder diente.
Inzwischen aber sah es eher aus, als würden die beiden Kolonnen-Anatomen heimliche Experimente mit den Körpern anstellen.
Mairn Thuin fragte sich im nächsten Gedanken nach dem Auftraggeber. Der Hoch-Medokogh kam nicht infrage. Er besaß keine Entscheidungsbefugnis über Urbilder. Er bewahrte sie auf, konnte aber nicht über sie bestimmen.
Sie beschloss, Sheymor Merquin zu folgen und die Senke zu beobachten. Als sie näher kam, roch sie den Tod, der ihre eigene Duftwolke überlagerte. Voller böser Ahnungen ignorierte sie die Sperrzone, näherte sich der Strukturlücke und warf einen Blick ins Innere des Schirmareals.
Sie sah Sheymor Merquin und Pharoib Inssino liegen, aneinandergeheftet mit Instrumenten in den erstarrten Händen. Anscheinend hatten sie sich gegenseitig umgebracht.
Ein anderes Wesen elektrisierte die Kolonnen-Anatomin aber viel mehr. Ein Stück weiter hinten lag über einem Tisch das Urbild Roi Danton, in ein Tuch gehüllt und offenbar von den Robotern paralysiert.
Das also war das Geheimnis, das die beiden über Wochen eifersüchtig gehütet hatten. Aus unbekanntem Grund hatten die beiden Roi Danton aus seinem Tank geholt, vermutlich ohne Wissen der Dienstburg oder des Hoch-Medokoghs.
Mairn Thuin nestelte an ihren Lamellen und holte den Kommunikationsstift hervor. Sie löste für die DERUFUS Alarm aus und wies die Roboter an, niemanden in die Nähe der Sperrzone zu lassen, solange es Rorian Omokra nicht erlaubte.
Nachspiel
Sie haben mich untersucht und in den Tank zurückgelegt. Ich habe erst geschlafen, denn die Nacht war anstrengend.
Mein Plan ist aufgegangen. Die beiden Kolonnen-Anatomen haben sich in ihrer Eifersucht und ihrem Konkurrenzdenken gegenseitig neutralisiert. Bis Nachfolger bestimmt und eingearbeitet sind, wird es eine Weile dauern. Ich gewinne Zeit.
In meinem rechten Zeigefinger steckt eine Art winziger Nagel, den ich auf dem Tisch gefunden habe. Er war das Einzige in dem Gerümpel, mit dem ich etwas anfangen kann. Die kleine Wunde im Fleisch, die er verursacht hat, haben die Kolonnen-Anatomen und die Roboter übersehen. Wichtig ist, ich habe ihn.
Irgendwann wird er mir von Nutzen sein.
Bald ...
ENDE
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