2426 - Aufbruch der Friedensfahrer
Cosmuel.
„Wie kommst du darauf?"
Sie zeigte auf den Tisch. „Wie ordentlich hier alles ist ... die Bewohnerin räumte zunächst ein paar Dinge zusammen, bevor sie die Höhle verließ."
Ich schnaubte.
„Und ein Mann macht das etwa nicht?"
„Ich empfehle dir, mal einen Blick in deine THEREME zu werfen, dann kennst du die Antwort."
Ich verzichtete auf die Bemerkung, dass es auch ordnungsliebende männliche Humanoide gab und manche Spezies sich durch einen geradezu zwanghaften Drang zur Ordnung auszeichneten.
„Wir sind also doch auf der richtigen Spur, glaubst du?"
Sie zuckte mit den Achseln.
„Diese unbekannte Bewohnerin könnte durchaus die Gründermutter sein. Aber warum das alles? Warum verheimlicht sie erst ihre Existenz und führt uns dann praktisch in ihr Wohnzimmer?"
„Sie hat uns auf eine falsche Fährte gelockt", schlug Cosmuel vor, „und dann offensichtlich bemerkt, dass für Injata N’tuvage die letzte Stunde gekommen ist ..."
„Du meinst ... sie hat den alten Friedensfahrer nicht allein sterben lassen wollen?"
„Sie hat sich um ihn gekümmert.
Wie er dort sitzt ... den Blick auf die Glasbasilika gerichtet ... das war das Letzte, was er in seinem Leben gesehen hat. Sie hat ihm dort hinaufgeholfen. Er ist in Frieden gestorben, und das hat er der Gründermutter zu verdanken."
„Allein deshalb haben wir die Höhle gefunden. Weil die Gründermutter barmherzig war und einem Sterbenden geholfen hat."
„Oder so ähnlich", sagte Cosmuel.
„Oder so ähnlich."
Wir durchsuchten die Höhle flüchtig, entdeckten jedoch keine weiteren Spuren, die uns Aufschluss über Identität oder Aussehen der Gründermutter gaben. Hier hätte jeder Menschenähnliche leben können.
Die wenigen persönlichen Gegenstände, die wir fanden – etwa einen Kamm, Stofftücher, Felldecken – berührte ich nicht. Eine tiefsitzende Scheu hielt mich davon ab.
„Immerhin wissen wir nun", murmelte ich eher zu mir selbst als zu Cosmuel, „dass die Gründermutter lebt. Sie lebt auf dem Kapellenmond der Friedensfahrer, und sie will nicht gefunden werden."
Das war in meinen Augen so gut wie sicher.
Ich kramte aus meinem Rucksack einen Stift und eine Schreibfolie hervor und schrieb ein paar Zeilen auf.
Ich bin Kantiran, Garant der Friedensfahrer. Die Mächte des Chaos machen mobil und treiben in relativer kosmischer Nähe die Entstehung einer Negasphäre voran. Wir erhoffen uns von dir Hinweise darauf, wie man das verhindern kann. Ich grüße dich, Gründermutter, und werde dir möglicherweise einen zweiten Besuch abstatten, auch wenn das noch eine Weile dauern kann.
Natürlich war das nicht der Punkt; das war mir völlig klar. Zeit schien die Gründermutter zur Genüge zu haben; die Frage war vielmehr, ob sie mich überhaupt empfangen würde. Aber ich nahm mir fest vor, zum Kapellenmond zurückzukehren und die Suche wieder aufzunehmen, sobald meine Zeit es mir erlaubte. Vielleicht zeigte die Gründermutter sich dann ja einsichtig und ermöglichte es mir, Kontakt mit ihr aufzunehmen.
Ich legte die Folie auf den Tisch und ging hinaus, ohne mich noch einmal umzusehen.
Cosmuel wartete neben Injata N’tuvages Leiche. „Was sollen wir mit ihm machen?"
„Normalerweise müssten wir ihn im All bestatten, nach Art der Friedensfahrer", erwiderte ich nachdenklich.
„Aber ...?"
„Aber in diesem Fall ... Injata N’tuvage ist nach Ospera gekommen, um hier zu sterben. Mehr noch, ich glaube, dass er genau an diesem Ort sterben wollte. Bei der Gründermutter."
„Wir lassen die Leiche an Ort und Stelle zurück?"
Ich nickte. „Was immer zu tun ist, die Gründermutter wird es erledigen, sobald wir fort sind."
Schweigend machten wir uns auf den Rückweg zu der Höhle mit dem Transmitter.
8.
Ambriador
14. Juli 1346 NGZ
Plötzlich war alles wieder da, alles.
Einen Moment lang schien sich die Wand der OREON-Kapsel aufzulösen, und Kantiran glaubte, von einem Hügel auf dem Kapellenmond über eine prachtvolle Berglandschaft zu schauen, in der die Glasbasilika wie ein Juwel funkelte.
Dann wurde ihm bewusst, dass die Bergkuppe in Wirklichkeit das Bett in seiner Kabine der THEREME war, auf dem er saß. Und die prachtvolle Basilika verwandelte sich in etwas anderes, das zumindest in seinen Augen weitaus schöner war als das Bauwerk, in dem normale Wesen zu Friedensfahrern wurden.
Er sah Cosmuel an. Sie hatte mittlerweile eine normale Bordmontur angelegt. „Wie lange war ich weg?"
Sie lächelte schwach.
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