2429 - Das Terminale Beben
entgegenschlug. Die Körperhaltung der Thalongroner, die zur Seite gedrehten Augen, die abgewandten Handflächen und die leicht gebückte Haltung waren deutliche Zeichen. Die Frage, wie sich Angehörige einer Stockes und einer Garnison verhielten, wenn ein Fremdling in ihr Reich eindrang, war damit für alle Zeiten beantwortet.
Er blieb stehen und wartete auf eine Ehrenbezeigung, einen Gruß oder sonst eine Andeutung von Höflichkeit.
Sie blieb aus.
Also schön. Dann eben anders!
„Der Stock Thalongron lässt es an Kinderstube ebenso missen wie an Pflichterfüllung", sagte Ish Conart mit schneidender Stimme. „Wieso seid ihr nicht auf euren Posten?"
„Wir sind keinem Fremden Rechenschaft schuldig", lautete die Antwort eines besonders Tolldreisten, die dem Anschein nach aber von den anderen geteilt wurde.
Ish ließ seinen Blick schweifen. Mitläufer, allesamt, und der Freche war bestenfalls ein Nachplapperer. Alle ... außer einem. Einer der Genprox-Analysten war deutlich älter als seine Begleiter. Er zeigte als einziger keine Anzeichen von Nervosität.
Sieh an, dachte Ish. Das also ist der Drahtzieher!
„Thalongron fliegt bereits, falls ihr das noch nicht bemerkt habt. Die Garnison muss jederzeit auf Temporale Jetströme und andere Hyperphänomene gefasst sein. Die Anzeichen mehren sich, dass bald Temporale Beben entstehen. Und ihr seid nicht auf euren Plätzen. Das verstößt gegen die Vorschriften. Ihr sabotiert nicht nur die Garnison, ihr sabotiert TRAITOR!"
Schräg unter dem Explorer zog soeben der Kraterrand vorbei. Ish erhaschte einen letzten Blick auf IROTHAK, ehe die Basisstation hinter der Wall verschwand.
Eine leichte Handbewegung des Alten reichte. Die Gruppe setzte sich in Bewegung, nicht in Ishs Richtung, sondern zur gegenüberliegenden Seite, wo die zweite Wendel mündete. Sie drehten dem Kommandanten den Rücken zu, ein deutliches Zeichen der Missachtung.
Ish Conart diktierte einen Eintrag fürs Logbuch und legte fest, dass sie nach der Rückkehr der Garnison vor ein Militärgericht gestellt und bestraft würden. Während er sprach, ließ er sie keinen Augenblick aus den Augen.
Sie hörten genau, was er sagte, aber keiner von ihnen zeigte eine Reaktion.
Sie schienen ihrer Sache sehr sicher zu sein und von der Rechtmäßigkeit ihres Tuns überzeugt.
Ish Conart beendete seinen Rundgang. Noch während des Fluges in den Ostteil des Kleinkontinents wollte er sich mit der Reorganisation des Explorers befassen. Es ging nicht, dass hochqualifizierte Wissenschaftler in der Versorgungsetage arbeiteten, während dafür zuständige Ingenieure an wichtigen Positionen in der Zentrale beschäftigt waren.
Klüngel, Korruption, das waren die Schlagworte, die den Zustand in Thalongron am besten beschrieben. Kein Wunder, dass die Bewohner der Garnison alles versuchten, möglichst nichts von den Zuständen nach außen dringen zu lassen. Dennoch schien das Oberkommando irgendwie davon erfahren zu haben oder es zu ahnen. Nicht anders erklärte sich Ish Conart die Entscheidung, die Vahton Farkas ihm verkündet hatte.
Ein Fremder als Kommandant, einer, der sich bisher in vielen unterschiedlichen Situationen ausgezeichnet hatte – Ish Conart eben. Der Genprox-Analyst glaubte nicht, dass er der einzige Angehörige des Prox-Volkes war, der in Frage gekommen wäre. Er war aber wohl der Erfahrenste, dem man es zutraute. Dabei wusste Ish noch nicht einmal genau, was alles auf ihn zukam.
Die Äußerungen der drei Analysten bei seiner Ankunft in der Garnison gaben ihm immer mehr zu denken. Dass er nicht lange Kommandant sein würde, wagte er zu bezweifeln. Dass sie ihn für jung und unerfahren hielten, war ihr Pech. Das Oberkommando hatte den Thalongronern nicht viel über den neuen Kommandanten mitgeteilt. Ish vermutete dahinter Absicht.
Ein Funkimpuls aus der Einsatzzentrale erreichte ihn. „Thir Ingreon hat zwei Stunden vor dem Start angeordnet, in regelmäßigen Abständen Kamerabojen abzuwerfen, die das Gelände beobachten sollen."
„Ich widerrufe diese Anordnung. Sie gehört nicht zu unserem Auftrag. Wir brauchen die Bojen im Zielgebiet, nicht unterwegs."
Ob das tatsächlich stimmte, spielte im Augenblick keine Rolle. Ish sah keinen Sinn darin, unterwegs Bojen zu verteilen wie Geschenke. Wenn Roganer ein Feld bestellten, warfen sie auch nicht alle hundert Schritte ein Samenkorn zu Boden, sondern säten gleichmäßig und in Reihen, damit bei der Ernte der Ertrag stimmte. Warum sollten sich
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