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244 - Der dunkle Traum

244 - Der dunkle Traum

Titel: 244 - Der dunkle Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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fast umgehend in der Sonne.
    »Du wirst dir einen schrecklichen Sonnenbrand zuziehen, weißer Mann!«, zeterte Aldous. »Wie kann man in deinem Alter noch so kindisch sein…!«
    Rulfan beugte den Rücken und kleidete sich schweigend an.
    Der Sonnenuntergang über dem Victoriasee war grandios. Weit entfernt glühte die Silhouette des Vulkangebietes im roten Licht. Davor, als winzigen Leuchtpunkt nur, konnte man in der Dämmerung die Wolkenstadt ausmachen. Vogelschwärme erhoben sich in den blauroten Himmel, um auf Affenbrotbäumen die Nacht zu verbringen. In einiger Entfernung grasten Marmoribüffel, harmlose Pflanzenfresser, schwarze Kolosse vor einem nun dunkelblauen Firmament.
    Die Reisenden verbrachten eine ruhige Nacht in stetem Wachwechsel. Am nächsten Morgen gab Aldous seiner Winda ein paar geflüsterte Befehle und die Valvona sprang ins Wasser.
    Rulfan rasierte sich. Er würde Victorius nicht mit Bartstoppeln entgegentreten. Aldous fuhr sich über das glatte Kinn. »Gut, dass ich keinen Bartwuchs habe… das macht weniger Arbeit.«
    Kurze Zeit später kam Winda zurück und legte zwei große Fische vor die Füße ihres Herrn ab. Rulfan nahm die Fische aus und bald drehten sie sich am Stock. Nachdem die beiden Männer sich gestärkt hatten, pinkelten sie das Feuer aus und setzten ihre Reise fort.
    In weiter Ferne flimmerte sie in der Hitze: Wimereux-à-l’Hauteur! Die Wolkenstadt, nach Daa’tans Angriff wieder instand gesetzt, schwebte über dem Südostufer des Victoriasees. Dort hatte Pilatre de Rozier, der Kaiser, seine Residenz.
    »Verrückt…«, murmelte Aldous. »Wie kommen Menschen auf so eine Idee?«
    »Kreativität und Überlebenswille«, sagte Rulfan. »Durch die Flucht in den Himmel haben sich die Menschen vor Krankheiten und Gefahren in Sicherheit gebracht. Die Malaarimücken zum Beispiel kommen nicht bis in diese Höhe, von Raubtieren ganz zu schweigen.«
    Weiter nach Osten hin erhob sich das Vulkanmassiv, das unabdingbar war für den Erhalt der Wolkenstädte. Aus Gasblasen tief unter der afrikanischen Erde wurde Methangas raffiniert, mit dem durch einen dehnbaren Schlauch die Trag- und Stabilisierungsballons von Wimereux gefüllt wurden.
    Unter der Stadt lagen – neben der pyramidenförmigen Andockstation – Bananenplantagen und fruchtbare Felder. Kleinere Gebäude am Boden reflektierten das Sonnenlicht. Eines davon stand einsam auf einer gerodeten Fläche, die mindestens einen Kilometer durchmaß. Das musste der Kerker sein, in dem Daa’tan und Grao eingesperrt waren.
    »Bald sind wir am Ziel!«, sagte Aldous dumpf.
    Nach drei Stunden erreichten sie auf halbem Wege eine kleine Hafenstadt, die in der Nähe von Wimereux entstanden war. Hier lebten auch Straußenzüchter, Federale genannt. Ihre riesigen Reittiere staksten in weitläufigen Gehegen umher, Winda blieb am Gatter stehen und reckte ihren Schädel neugierig witternd in die Richtung der Straußen.
    »Ein schönes Tier…«, sagte ein Greis, der die Valvona neugierig musterte. Er hatte sich die Haare pink gefärbt; sein Körper ähnelte einem verdorrten Ast. Seine letzten drei Zähne blitzten, als er grinste.
    »Sie heißt Winda«, gab Aldous freundlich zurück.
    Gastfreundlich brachte man den Reisenden Wasser und Wein. Rulfan und Aldous tranken und genossen die Znekkusfladen, die ihnen die breithüftige Züchterin kredenzte. Halbnackte Kinder, auch sie mit pink gefärbten krausen Haaren, spielten mit Steinen und Holzstöckchen und eine Gruppe Frauen in bunten Gewändern und farbigen Kopftüchern tratschten und blickten zu Rulfan und Aldous herüber. Winda, die Valvona, stakste durch die kleine Siedlung und Rulfan verfolgte mit Argusaugen jeden ihrer Schritte, immer auf dem Sprung, einzugreifen. Dressur hin oder her – die Valvona war ein Raubtier! Wer konnte garantieren, dass sie sich nicht durch irgendeine unerwartete Situation genötigt sah, anzugreifen?
    Aldous nahm Rulfans Sorge wahr und legte ihm eine Hand auf den Unterarm. »Es kann nichts geschehen, glaube mir, mein Freund…«
    Rulfan nickte leicht und konzentrierte sich auf den Wein.
    »Ihr wollt nach oben?«, fragte der Uralte mit einem viel sagenden Blick.
    »Mein Freund hier hat eine Verabredung mit Prinz Victorius«, antwortete Aldous.
    »Ah… Victorius«, nickte der Uralte. »Ein guter Mann. Einer von uns.«
    »Von euch?« fragte Aldous.
    »Ein Schwarzer; nun, eigentlich ein Halbblut. Er soll ein Kind mit einer einfachen Küchenhilfe haben. Sein Vater ist darüber gar

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