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244 - Der dunkle Traum

244 - Der dunkle Traum

Titel: 244 - Der dunkle Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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nicht erbaut.«
    »Unsinn!« fuhr sein Weib dazwischen. »Wir alle wissen, dass der Kaiser und Victorius sich nach dem vereitelten Angriff auf Wimereux vor einem Jahr viel besser verstehen als früher. Außerdem hast du doch gehört, dass der weiße Mann Victorius kennt…«
    Genauso gut hätte sie sagen können: Halt endlich die Klappe, du Schwätzer!
    »Man sagt, es gäbe ein Gefängnis in der Ebene unter der Stadt«, kam Aldous zum Kern des Gesprächs. »Ein ganz besonders Gefängnis mit zwei außergewöhnlichen Gefangenen!«
    Der Uralte brummte und füllte Wein nach. »Du meinst den Pflanzenmagier und den Gestaltwandler. Ja, man hat die beiden dort eingesperrt. Stattdessen hätte man sie töten sollen, diese Bestien. Ich habe einen Neffen beim Krieg um die Wolkenstadt verloren. Etliche meiner Freunde haben auch Tote zu beklagen. Der Kaiser ist viel zu gut zu seinen Feinden…«
    Sein Weib hüstelte. Verlegen blickte sie Rulfan an, zögerte erst, dann gab sie sich einen Ruck. »Ich bete täglich zu Wudan, dass die beiden nicht freikommen. Man stelle sich vor: ein Gestaltwandler! Wie will man den denn einsperren? Er braucht sich doch nur in eine Flegge zu verwandeln und kann dann durch jedes Schlüsselloch fliegen. Und eines Nachts steht er dann plötzlich in unserer Hütte und frisst unsere Kinder!«
    Rulfan winkte ab. »Das ist ein Märchen«, beruhigte er die Frau. »Der Daa’mure kann nur seine Körpermasse bis zu einer gewissen Grenze neu anordnen, seine Masse aber nicht verringern. Er wird sich also kaum in eine Flegge verwandeln können. Außerdem scheint der Kerker doch sicher zu sein, wenn die beiden Gefangenen schon seit einem Jahr dort sind.«
    Der Uralte runzelte fragend die Stirn. »Ihr wisst erstaunlich viel. Wieso interessiert euch das?«
    Rulfan lachte hart. Er öffnete den Mund, aber Aldous schnitt ihm das Wort ab. »Es ist immer gut, wenn man Bescheid weiß, nicht wahr?«
    Die Frau verzog ihr breites Gesicht, grunzte und verschwand in einem Nebenraum, wo sie mit Tellern und Bestecken klapperte. Aldous und Rulfan versuchten nun über Belanglosigkeiten zu plaudern, allerdings waren jetzt alle Worte des Greises mit einer feinen Schicht Misstrauen überzogen.
    Endlich verabschiedeten sich Rulfan und Aldous. Es schien, als sei das Züchterpaar froh, dass sie weiter zogen.
    Einige Stunden später, am späten Nachmittag, erreichten sie Wimereux-à-l’Hauteur. Kolks kreisten weit oben über der Wolkenstadt, die wie eine dunkle Gewitterwolke zwischen Himmel und Erde schwebte. Das heisere Lachen der schwarzen Vögel klang gespenstisch. Einer der Manövrierpropeller lief an, brummte ein paar Sekunden und schwieg wieder. Man hatte die schwebende Stadt horizontal stabilisiert.
    Rulfan blickte zu der aus Stein geschlagenen Ankerstation hin, die ihnen am nächsten lag. Es gab insgesamt vier davon. Von ihren Oberseiten führten mächtige Taue, die durch armdicke Stahlösen geführt waren, hoch zum Rand der Wolkenstadt. In der Mitte der Bodenfläche erhob sich wie eine fünfzehn Meter hohe Stufenpyramide der Versorgungssockel, in dem das Gas raffiniert und nach Wimereux empor geleitet wurde.
    Um Aldous’ Wissbegierde zu befriedigen, erklärte Rulfan: »Siehst du das kreisrunde Grundgerüst der Stadt? Es hat einen Durchmesser von tausend Metern und ist aus einer mutierten Bambusart gezimmert. Darüber liegt ein riesiger Trägerballon, der in neun Kammern unterteilt ist. Die Kammern sind gefüllt mit Gas und erhitzter Luft, ebenso die neun Stabilisierungsballons, die rund um die Stadt angebracht sind.«
    »Danke für deine Erklärungen«, erwiderte Aldous. »Aber ich sehe nur, dass uns dieses Ding die Sonne stiehlt.«
    »Du scheinst nicht sehr begeistert zu sein, Meister…«
    »O doch…« Aldous grinste schief. »O doch, mein Freund, das ist wirklich… sehr interessant!«
    Sie gelangten zur Ankerstation. Ein armdickes Halteseil spannte sich in die Höhe. Die dampfgetriebene Aufzugskabine befand sich am Boden.
    Drei Soldaten bewachten die Station. Zuerst wollten sie der Valvona den Zugang zur Wolkenstadt verwehren, aber Aldous beruhigte sie auf bewährte Weise. Nach einigem Hin und Her erhielten sie Zutritt zur Kabine.
    Schnaufend erhob sie sich vom Boden und trug zwei Männer und eine Valvona hoch nach Wimereux-à-l’Hauteur. Weit entfernt sank ein roter Sonnenball den Bergen entgegen, und alle Dinge warfen lange Schatten.
    3. DIE WOLKENSTADT
    Sie ließen die Aufzugsstation hinter sich und betraten durch

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