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244 - Der dunkle Traum

244 - Der dunkle Traum

Titel: 244 - Der dunkle Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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Vorraum zum Kabinettsaal. Sie waren Victorius gemeldet worden, und jetzt wurde die Tür aufgerissen und ein verschwitzter Mann, einen Stock in der Hand, stand vor ihnen. Schlank, gut aussehend, mit freundlichem Lächeln. »Mon dieu – mein Freund Rulfan!«, rief er begeistert. »Ich komme vom Canntos-Training und was höre ich? Mon ami! Du hier?« Er strahlte über das ganze Gesicht und umarmte mit dem freien Arm den Albino. »Damit hätte ich nun wirklich nicht gerechnet. Bringst du Neuigkeiten?«
    Erst einmal stellte Rulfan Aldous vor, der sich vor dem Prinzen verneigte. Victorius runzelte die Brauen, dann reichte er dem Schamanen die Hand. »Bienvenu! Rulfans Freunde sind auch meine Freunde! Lasst uns Kaffee, ach Unsinn – lasst uns Wein trinken, ein Mahl einnehmen und miteinander reden! Eigentlich hatte ich heute Abend noch eine dieser unsäglichen Sitzungen. Kommandant Lysambwe und Doktor Aksela wollen mit mir über militärischen Gesundheitssport reden – sie haben Angst, die Soldaten würden zu dick! Aber was soll’s? Der Termin kann verlegt werden. Wisst ihr schon, wo ihr bleiben werdet? Habt ihr schon eine Unterkunft?«
    Rulfan ließ die Begeisterung über sich ergehen und stellte erschüttert fest, dass Victorius ihn nervte. Irgendwo, auf einer tiefer liegenden Ebene, es kam einem Déjà vu gleich, empfand er etwas wie… Trauer! Noch vor einer halben Stunde hatte ihn die Vorstellung, Victorius wieder zu sehen, gefreut.
    »Du hast ihn immer noch?« Victorius tippte mit dem Canntosstock auf den Säbel. »Hat er dir gute Dienste geleistet?«
    »Eine gute Waffe«, war alles, was Rulfan hervorbrachte. Er schämte sich, dass er, anstatt Victorius’ Freude zu teilen, mit den Gedanken bei Daa’tan war und daran, was er mit ihm zu tun gedachte. Victorius musterte seinen Freund, und Aldous tönte: »Wir nehmen Eure Einladung gerne an, Prinz!«
    »So soll es sein!« Victorius nickte zu dem Schamanen hinunter. »Ich lasse euch zwei Zimmer herrichten.«
    Eine Stunde später, alle hatten sich frisch gemacht, trafen sie sich im Speisesaal. Die Tafel bog sich unter dem, was die Diener aufgetragen hatten. Victorius, der nun seine pinkfarbene Perücke trug, tippte mit einer Gabel an einen Teller. Es gab ein helles Pling. »Echtes Émail granité. Mein Vater hat alles daran gesetzt, dieses Material zu erschaffen. Unseren besten Wissenschaftlern ist es gelungen.«
    Servietten waren wie Schwäne gefaltet, Wein und Trinkgläser glitzerten im Licht der Kerzen. »Unser Tafeldecker hat ganze Arbeit geleistet«, sagte Victorius vergnügt. »Vieles von dem, was ihr hier seht, wird euch fremdartig vorkommen. Glaube mir, Rulfan – auch ich musste mich an diese Völlerei erst wieder gewöhnen.«
    Rulfan wusste, dass Victorius als Kind in Paris-à-l’Hauteur gelebt und später eine Zeit seines Lebens im Nordwesten des Victoriasees verbracht hatte, fernab der Wolkenstädte. Er wusste aber auch, das Victorius noch so lange in der Wildnis leben konnte – die Hofetikette und gelehrige Kultiviertheit würden immer die Oberhand behalten.
    Während sie aßen, ging das Gespräch hin und her. Man hatte sich viel zu berichten. Aldous schwieg und beobachtete die Freunde mit, wie es schien, stillem Vergnügen.
    Rulfan erfuhr, dass man seit ihrem Abflug nach Gilam’esh’gad [5] noch nichts von Matt und Aruula gehört hatte, doch Victorius gab seiner Hoffnung Ausdruck, die beiden Freunde bald wieder zu sehen. Immerhin hatten sie versprochen, zurückzukehren und nach ihrem Sohn zu sehen.
    Sie sprachen über den vereitelten Angriff auf die Wolkenstadt und über Rulfans Heldentaten. Victorius vermeldete nicht ohne Freude, er habe sich endlich mit seinem Vater vertragen, wenigstens in grundsätzlichen Dingen. Der Kaiser sei im Moment auf einer Reise, begleitet von Prinz Akfat und einigen Ministern. Der schwarze Prinz begrüßte es, dass Rulfan und Lay noch zusammen waren, und bedauerte, dass die schöne wilde Frau nicht zugegen war, genauso wie er Chira vermisste. Er erkundigte sich, warum Rulfan sie zurückgelassen hatte.
    Nun meldete sich Aldous unversehens zu Wort und Rulfan konnte sich zurücklehnen, ohne auf Victorius’ Frage einzugehen, auf die er selbst keine Antwort wusste. Er trank zu viel, das wusste er, aber er genoss es. Aldous paffte sein Gras und Victorius hatte einen Fächler bestellt, der mit einem Palmenblatt den Qualm vertrieb.
    Victorius stützte sein Kinn auf die Handfläche und blickte Aldous an. »Würdest du die Brille

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