2459 - Komplex Astrovent
den Thron aus geschnitztem Elfenbein. Ein Mann saß auf dem Thron. Sein Gesicht war herb und von fast überirdischer Schönheit. Er hielt die Augen geschlossen, als lauschte er einem fernen Klang.
Die blonden Locken fielen ihm auf die Schultern. Sein kurzer, wollener Reisemantel war von scharlachroter Farbe.
Unter dem Tuch schimmerte ein Brustpanzer, die Schenkel wurden von goldenen Beinlingen geschützt.
Das lange Schwert lag quer über seinen Knien. Die Parierstangen der Waffe waren leicht nach vorne gerichtet und liefen spitz zu. Die Fehlschärfe über den Stangen war wenig mehr als eine Handbreit.
Ein Metalldraht war zum Heft gewickelt.
Keine Hohlkehle durchlief die Klinge; das Schwert musste sehr schwer sein.
Einen Schild besaß der Mann nicht.
Er wartete, die Augen geschlossen, horchte.
Sol stand bereits tief, die Stelen der Stadt warfen lange Schatten. Jede einzelne Stele verkündete von einem anderen Triumph des Imperiums: von der Übernahme des morschen Arkonidenreiches, vom intergalaktischen Feldzug gegen die Meister der Insel, vom Dolchstoß in den Rücken des Hetos der Sieben.
Auf den Stelen standen idealisierte, überschlanke Statuen der terranischen Helden, immer wieder Bildnisse von Reginald Bull und Julian Tifflor, von Homer G. Adams und Galbraith Deighton, von John Marshall und Van Moders.
Kein anderer aber war auf so vielen Stelen dargestellt wie Perry Rhodan, und keine andere Stele überragte irgendeine der seinen. Sein weißes, holografisches Haar flackerte im Nachtwind wie Flammen. Seine Augen glühten rot. Sein Lippen bewegten sich wie zu einer Beschwörung, sein Mund flüsterte eindringlich, unaufhörlich: „Terra darf nicht fallen."
Der Satz brannte sich ein in die Bewusstseine der Terraner, zumal derjenigen Terraner, die in der Arena versammelt waren und ihre mentale Kraft in den Verteidigungsschild einspeisten, den TERRANOVA-Schirm.
Eine altertümliche Fanfare erklang.
Gase zischten aus dem abgründigen Schlund hervor, es stank nach Pech und Schwefel.
Wie aus einem primitiven Megafon schepperte eine Stimme: „Die seismische Aktivität hat ihre Signatur gewechselt.
Der Erdkern öffnet sich. Herzeisenlos kann dem Niemandswurm bald gegenübertreten."
Und so war es.
Der Ausbruch war gewaltig: Die Fesselfelder hatten Mühe, die Masse gluflüssigen Gesteins einzudämmen. Das Magma schoss in Form einer wenige Meter durchmessenden Säule himmelhoch in die Nacht über Terrania.
Die Eruption endete. Rauch stieg aus dem Schlund. Der Lindwurm kroch heraus. Seine vier Beine setzten überraschend tief unter dem Leib an, was ihm etwas Katzenartiges verlieh. Sein Schädel war dreigeteilt, auf jeder Stirn saß ein meterlanger Dorn. Ein öliger Firnis überzog die Dornen, wahrscheinlich ein Gift, das vor dem Kampf aus einer Drüse troff.
Herzeisenlos hielt die Augen noch immer geschlossen, horchte, ein Lächeln deutete sich auf seinen Lippen an.
Der Drache öffnete sein Dreifachmaul und fauchte. Eine blau lodernde Wolke entwich, eine Explosion von kaltem Licht.
Ein Raunen ging durch die Arena.
Herzeisenlos hielt die Augen noch immer geschlossen, horchte, seine Zähne blitzten.
Im nächsten Moment war der Drache auf dem Thron und hatte ihn zerschmettert und schrie vor Wut, weil der Mann ihm mit einer unbegreiflichen Wendung entkommen war.
Der Drache schaute sich suchend um.
Die Lautsprecherstimme ertönte wieder. Zunächst nur ein heiseres Kreischen und Jaulen, dann hörte man eine Stimme, die reißerisch klang: „Herzeisenlos weiß, dass der Drache nur an einer Stelle verwundbar ist: an seiner Kehle. Die Kehle aber ist von einem Schuppenlatz geschützt, der undurchdringlich ist."
Herzeisenlos hatte den Mantel abgeworfen, der wie eine scharlachrote Lache im Sand lag.
Der Kampf begann.
Der Mann parierte die Kopfstöße des Drachen mit dem Schwert. Immer stand er tief, stabil. Er holte mit dem Schwert über dem Kopf aus, legte die linke Hand an die Fehlschärfe und führte den Hieb beidhändig von schräg oben herab. Er schlug Ochs und Eber, von oben nach unten mit derselben Gewalt wie von unten nach oben; er machte keine Sprünge, nur Schritte, blieb immer standfest, kämpfte mit gestrecktem Arm, als spürte er das Gewicht des Stahles nicht.
Er hieb und stach. Er landete Treffer mit der Spitze der Klinge wie mit ihrer Schneide. Natürlich war der Drache unverwundbar. Die Stimme hatte es gesagt.
Und was an der Klinge Stahl war, konnte dem Schuppenleib des Wurmes nichts
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