2465 - Nach der Stasis
Armmanschetten hermetisch abschlossen. Taffanaro hatte Blut und Wasser geschwitzt und sich alle Mühe gegeben, zur Zufriedenheit seines Vorgesetzten zu arbeiten. Aber dafür war ein Servo schließlich da.
Zu locker, konstatierte Selexon, als der Mundschutz sich erneut verschob.
Blieb zu hoffen, dass der TAI-Servo die Passform nicht absichtlich falsch zugeschnitten hatte. Aber nachbessern musste er ohnehin.
Inkh Selexon fühlte sich gereizt. Der Gedanke an die Fremden beunruhigte ihn. Doch das war es nicht allein. Mit den Eindringlingen fertig zu werden würde vermutlich nicht schwerfallen.
Dass etwas mit seinem Körper geschah, über das er keine Kontrolle hatte, entsetzte ihn weit mehr. Es machte ihm sogar Angst, und die Handschuhe und der Mundschutz waren nur ein Versuch, dieses lähmende Gefühl zu unterdrücken.
In ihm rumorte es. Das dumpfe Zucken war wieder da, es hatte seine linke Körperhälfte befallen. Als formte sich etwas in ihm um.
Selexon hatte den Versammlungsraum fast erreicht. Der Regen wurde schwächer, aber das änderte nichts mehr daran, dass er sich klamm und unpässlich fühlte.
Mehrere Tibirian Melech richteten ihr Organband so unmissverständlich provozierend auf ihn, als wollten sie ihn selbst einer Anklage unterwerfen. Sie fixierten seinen Mundschutz ebenso wie die Handschuhe.
„Zu viele von uns sind gestorben", sagte Selexon betont. „Wisst ihr, welche Krankheitserreger mit dem Staub verbreitet wurden? Welche Seuchen die Fremden eingeschleppt haben? Ich habe meine Sicherheitsvorkehrungen im Interesse aller getroffen."
„Du bist krank, Inkh", erwiderte Tordesfar, und nur der spöttische Unterton in seiner Stimme hielt Selexon davon ab, das zu bestätigen. „Was willst du mit dem Fetzen Stoff vor dem Mund erreichen?
Die Servos werden über dich spotten."
Fassungslos starrte er der Gruppe hinterher, die nun rasch der Versammlungshalle zustrebte. Ihn derart zu missachten, hatte bislang niemand gewagt.
Oder erinnerte er sich nur nicht daran?
Heftig zuckte er zusammen, als sich eine Hand auf seinen Rücken legte. Er fuhr herum und sah Lindbak vor sich.
„Du solltest mich besser nicht anfassen", sagte er mühsam beherrscht.
„Ich ..."
„Weil du dann das Gefühl hast, dich häuten zu müssen? Dein Körper wird dir zu eng?"
Selexon erstarrte beinahe. Zögernd machte er schließlich eine Geste der Bestätigung.
„Ich kenne das", behauptete Lindbak.
„Du hast mir das Leben gerettet, als mein Schädel bersten wollte. Unmittelbar davor habe ich mich schon nicht mehr wie ich selbst gefühlt. Ich hätte mir die Haut in Fetzen vom Körper reißen können. Ohne dich, mein Freund, wäre ich vielleicht schon tot."
Selexon schwieg dazu. Ihm war nicht klar, ob er überhaupt wieder einen Fiktiv-Ankläger brauchte, der ihn als Freund bezeichnete. Auf Mirscon hatte das zugetroffen. Aber Struul Mirscon hatte das Erwachen aus der Stasis nur für wenige Minuten überlebt.
Als er schon weitergehen wollte, bemerkte Selexon, dass sein Gegenüber inzwischen eine Waffe trug. Damit schmückten sich Tibirian Melech für gewöhnlich nicht. Ihre beste Waffe war das Wort, die offene Anklage und die Konfrontation der Übeltäter mit den nie aufgeschriebenen fiktiven Gesetzen.
Eines derart schweren Kombistrahlers, wie Lindbak ihn mit sich schleppte, bedurfte es gewiss nicht, um sich an Bord Respekt zu verschaffen. Waffen mordeten – das Wort verletzte nur und ließ den Verurteilten eine Chance, ihr Leben frei zu führen, außerhalb der Bereiche, in denen sie Schaden anrichten konnten.
Lindbak schien die Veränderung in Selexons Haltung sehr wohl zu bemerken. Er lachte heiser und wuchtete die Waffe mit beiden Händen hoch.
„Du verteidigst dich mit einem blauen Mundschutz und mit undurchlässigen Handschuhen gegen Organismen, von denen du nicht wissen kannst, wo sie dir auflauern", stellte Kalitt anzüglich fest.
„Ich verstehe das. Aber gefährlicher als Mikroben scheinen mir die Eindringlinge zu sein. Wissen wir, wo sie jetzt gerade sind? In der Lenkzentrale. Wo außerdem? Ich will mich verteidigen, falls sie im nächsten Moment angreifen. Vielleicht ...", er fiel in einen verschwörerischen Tonfall, „... vielleicht sind sie Handlanger der Chaosmächte."
*
Die Halle war für mehr als tausend Zuhörer ausgelegt, aber nicht einmal die Hälfte der Plätze war besetzt. Selexon hoffte in dem Moment, dass dieses Bild keinesfalls symptomatisch war für den Zustand von
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