2467 - Mentale Revision
Datenkolonnen anzeigte. Es gab keine neuen Erkenntnisse daraus zu gewinnen.
„Wie sieht es im Vakacool-System aus?", rief er den diensthabenden Tibirian Melech zu, denen er befohlen hatte, die Lage im galaktischen Umfeld zu beobachten. Obwohl die hiesigen Kriegsflotten für CHEOS-TAI keine ernsthafte Gefahr bildeten, wollte er dennoch über deren militärische Pläne auf dem Laufenden bleiben.
Ssalir Trumav, einer der ältesten überlebenden Tibirian Melech an Bord, der nie den Ehrgeiz entwickelt hatte, aus der Masse hervorzutreten, sah von seiner Arbeitsstation auf. Die dürren Finger schwebten über den Sensorfeldern, leicht gekrümmt, als wollten sie jede Sekunde zu tippen beginnen.
„Es gibt keine außergewöhnlichen Truppenbewegungen, nirgends in der Galaxis. Wenn die Intelligenzen von Barmand-Sternborn einen Angriff auf uns planen sollten, benötigen sie offenbar eine Menge Zeit dafür. Meiner Auffassung nach haben sie zu viel Angst, um eine Offensive zu starten."
„Was nur für ihre Intelligenz spricht", sagte Selexon.
Trumav zeigte sich amüsiert. „Du hast recht. Einen GESETZ-Geber können sie mit allen vereinten Raumschiffen dieser Galaxis nicht in Verlegenheit bringen. Stattdessen könnten sie sich gleich selbst vernichten."
Inkh Selexon wollte gerade eine Bildverbindung in die verschiedenen medogenetischen Labors schalten, in denen die Genetiker an der Arbeit waren, als es wieder begann.
Zuerst spürte er einen Druck im Brustkorb.
Er stöhnte.
Von einem Augenblick auf den anderen schälte sich die oberste Hautschicht von seinen Händen. Dann schienen tausend Skalpelle seinen gesamten Körper zu malträtieren. Er fühlte, wie sich unter der Kleidung die Haut in Schüben ablöste. Aus den Ärmeln lösten sich trockene, schuppenartige Fetzen. Zwischen seinen Fingern trudelten Hautlappen zu Boden.
Seine Beine zitterten, er knickte ein und stürzte. Er hörte den Aufprall wie aus weiter Ferne, ebenso das Knacken in seinem Rücken. Er lag mit dem Gesicht flach auf dem Boden und rollte sich zur Seite. Sein Atem stob die hauchdünnen Hautfetzen davon. Dann begann sein Kopf konvulsivisch zu zucken, schlug mit der rechten Seite auf, dann mit der linken, wieder und wieder ...
Der Anfall war heftiger als sonst, kam mit zerstörerischer, brutaler Gewalt und verstärkte sich von Sekunde zu Sekunde.
Inkh Selexons Geist griff um sich, suchte nach einem Gegenpol, entdeckte etwas, jemanden und riss ihn mit sich in die alles umfassende Metamorphose.
Ein Schrei.
Dann krachte etwas, und ein Gesicht tauchte vor dem seinen auf: Ssalir Trumav. Die einzelnen Organe seines Ohrenkranzes zogen sich zusammen, ballten sich zu widernatürlichen Knollen, die pulsierten und ständig wuchsen.
Trumavs Schreie wurden lauter. Durchdringender. Auf den wulstigen Knollen zeigten sich blutig verfärbte Risse, die sich dehnten, und etwas platschte in Inkh Selexons Gesicht, etwas Warmes, Dickflüssiges, Schleimiges.
Das Schreien endete. Stattdessen war da ein dumpfes Schmatzen und danach das Bersten von Knochen.
Selexons eigene Agonie erreichte den Höhepunkt. Er glaubte, sein Leib müsse zerbrechen, der Brustkorb platzen ...
Aber der Tod kam nicht.
Stattdessen zerbrach eine Wand in seinem Kopf, in seinem Geist, eine Wand, von deren Existenz er keine Ahnung gehabt hatte, aber hinter der all jenes Wissen lauerte, nach dem er sich so verzweifelt sehnte, all die Erklärungen dessen, was mit ihm und seinem Volk geschah.
Diese Mauer explodierte, flog in Millionen Bruchstücken durch seinen gequälten Verstand. Wissen strömte auf ihn ein. Brachliegende, scheinbar tote Neuronenverbindungen zündeten und erweckten ganze Sektionen seines Gehirns. In einer Millisekunde verstand er, erinnerte sich, blickte in die Vergangenheit.
Das also war es. Darum hatte sein Volk geschlafen.
Die undurchdringliche Wand der Mentalen Revision entstand wieder.
Die Bruchstücke wirbelten durch seinen Geist und fügten sich lückenlos zusammen. Ordnung entstand aus dem Chaos des Schmerzes. Vergessen überwand das Erinnern, doch was Inkh Selexon einmal der Vergangenheit entrissen hatte, blieb bei ihm. Seine Vergangenheit wurde wieder ein Teil seines Lebens.
Nun war er es, der schrie, schrie ...
Vor 29 Millionen Jahren: Mentale Revision
Inkh Selexon ist einer von vielen Fiktiv-Anklägern an Bord des herrlichen CHEOS-TAI, mit der Aufgabe, permanent die Gesinnung der Besatzungen zu untersuchen. Fehlentwicklungen werden schon im Keim erstickt.
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