2475 - Opfergang
Ableger des Elements der Finsternis, das noch jener Zeit entstammte, in der dieses Universum geboren worden war.
Da waren die Schemen wieder. Roi Danton vermochte nicht zu sagen, ob er sie wirklich sehen konnte oder ob die Assoziation lediglich in seinem Sehzentrum entstand. Vielleicht sogar nur in seinem Bewusstsein, und er sah allein das, was er tatsächlich sehen wollte. So, wie ihm G’schogun als kriechendes, entstelltes Ebenbild seiner selbst erschienen war.
Eine für Menschen unbegreifliche Auseinandersetzung tobte. Wogende Schatten kämpften gegeneinander. Sie schienen ineinanderzufließen, lösten sich sofort wieder voneinander und strebten in entgegengesetzte Richtungen auseinander.
Alles war in Bewegung. Nichts in diesem lichtlosen Bereich blieb wirklich so statisch, wie es dem unbeeinflussten Beobachter erschien.
Die Schwärze dehnte sich aus und griff weit über die Distrikte von CRULT hinweg. Doch ebenso schnell wichen Aureolen der Finsternis wieder dem Stadt-Tag. In solchen Bereichen, schien es Danton, fraßen sich die Quanten der Finsternis gegenseitig auf. Nicht einmal die Teleoptik zeigte ihm mehr als die zurückbleibenden Spuren der Verwüstung.
Wankende Gebäude, in Panik fliehende Kolonnen-Angehörige ...
*
... urplötzlich ein gleißend schwarzes Licht. Ein Fremdkörper, sogar auf CRULT, der sich permanent zu verändern schien. Das Adjektiv groß – an die zweihundert Meter durchmessend – mochte neben seiner strahlenden Schwärze die einzige Konstante sein. Eine äußere Form zu erkennen, die nicht im nächsten Moment schon wieder zerfloss, war dem Terraner unmöglich.
Dieses Objekt schien aus der Tiefe des Dunklen Distrikts aufgestiegen zu sein.
Drohend hing es gut eine halbe Minute lang wenige hundert Meter hoch über der Terrassenstufe, dann nahm es langsam Fahrt auf.
Roi Danton wusste, dass er einen Dunklen Ermittler sah. Eigentlich die symbiotische Vereinigung aus einem Quant der Finsternis und einem Quellklipper.
Das leuchtend schwarze Schiff kam näher. Es hatte tatsächlich Kurs auf Affkaru, und wenn es nicht rasch abdrehte, würde es den Horst in geringer Höhe überfliegen.
Danton stockte schier der Atem, als er sah, was dieses Schiff anrichtete. Mit unglaublicher Gewalt schien es alles unter sich in die Höhe zu reißen. Wenige Meter nur, doch der Eindruck entstand, als ziehe diese Schwärze eine gigantische Flutwelle unter sich her.
Schwere Beben durchliefen in diesem Distrikt den Untergrund der Dienstburg.
Sogar Affkaru war davon schon betroffen.
Dantons einzige Frage war in dem Moment, ob der Dunkle Ermittler zu den Rebellen gehörte. Ein Schiff der konservativen Kräfte konnte alles zunichtemachen.
Für Flucht war es zu spät. Schon gar nicht im Schutz des Dunkelfelds. Danton dachte nicht daran, die Ermittler auf sich aufmerksam zu machen. Ohnehin wäre ihm nicht einmal mehr die Zeit geblieben, die Yrendir-Maske wieder zu schließen. In diesem Moment war er als Dual Dantyren weder Fisch noch Fleisch, und der Dunkle Ermittler schwebte unaufhaltsam näher.
Die Erschütterungen wurden heftiger.
Der Boden bäumte sich auf. Der heranbrandende Lärm war wie ein einziger lang anhaltender Aufschrei der Dienstburg. Ein Todesschrei.
Glutende Energiefahnen brachen aus dem Boden, und es schien, als würden sie von der Schwärze aufgesaugt.
Augenblicke später zog der Dunkle Ermittler über Affkaru hinweg.
Begleitet von ohrenbetäubendem Lärm, bäumte sich der Effremi-Horst auf. Und dieses Beben schien nicht mehr enden zu wollen.
*
Roi Danton ist einer von uns, notierte Rinka Porol schwungvoll mit weit ausholender Schrift. Sie fügte ein fettes Ausrufezeichen hinzu.
Der Blick ihrer beiden Schläfenaugen hatte den Terraner eingefangen und ließ ihn nicht mehr los. Nur mit dem Stirnauge schaute Rinka auf das Schreibpad.
Was sie da las, gefiel ihr jedoch nicht mehr. Zu wenig aussagekräftig, fand sie.
Seit fünf Minuten ...
Rinka stutzte. Sie schob sich den Ionenstift zwischen die schmalen Lippen und merkte im allerletzten Moment, dass sie im Begriff war, darauf herumzukauen. Genau so, wie sie das bei einem Terraner gesehen hatte.
Die Menschen aus dem Solsystem waren für sie ein schlechtes Vorbild. Beinahe hätte die Mikro-Bestie den Stift zerbissen, und das war der Einzige, den sie bei sich trug. An Bord ihres gekaperten Raumschiffes zurückzukehren, um einen neuen Ionenstift zu holen, und währenddessen das Wichtigste zu verpassen – unmöglich.
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