2476 - Kommando der Friedensfahrer
nicht falsch, kannten vielleicht den Hunger und töteten dafür, aber sie waren in den seltensten Fällen hinterhältig oder feige. Wenn sie töteten, taten sie es, um selbst zu überleben – das „Gesetz der Wildnis".
Wenn Menschen einander umbrachten, geschah es viel zu oft aus Habgier oder ideologischer Verblendung. Aus Hass. Aus Berechnung.
Er brauchte es. Wann hatte er sich zum letzten Mal frei fühlen dürfen?
Einfach ausklinken aus den Zwängen und eintauchen ins pulsierende Leben einer freien Natur.
Vielleicht das, was für die Haluter ihre Drangwäsche war. Alles herauslassen, was sich in ihm an Belastung angestaut hatte. Und das war, gerade in der letzten Zeit, eine ganze Menge gewesen ...
*
Es war wie das Paradies. Kantiran genoss es. Er schloss die Augen und sog gierig die würzige, von herrlichen Düften erfüllte Luft ein. Lauschte den Stimmen, Schreien und anderen Lauten des Urwalds, der die Bucht, in der sie gelandet und ausgestiegen waren, wie ein großes Hufeisen umschloss. Teilweise wuchsen die seltsam gebogenen Bäume wie Mangroven bis ins Wasser hinein, aus dem sich aber auch bläuliche Pflanzenhauben dem Land entgegenhoben, als wollten sich beide Lebensarten dort vereinen.
Vielleicht war es ein Paradies oder die geschickt getarnte Hölle. Keiner von ihnen konnte es bereits wissen.
Sie wussten nur zweierlei: Erstens würden sie an diesem Ort die nächsten Tage und Wochen überleben müssen, und zweitens konnte es nicht lange dauern, bis die Traitanks am Himmel waren.
Die insgesamt elf Friedensfahrer – die THEREME hatte als einzige Kapsel zwei Passagiere getragen – hatten sich in der Mitte der Bucht versammelt, äußerlich wie substanziell, von Herkunft, Aussehen und Fähigkeiten so verschieden, wie es nur Wesen sein konnten, die sich, alle mit anderem Hintergrund, zu einer Zweckgemeinschaft zusammengetan hatten.
Der Luminiszide – das Quallenwesen passte noch am ehesten zu dieser Welt. Der Gefährte, eben noch rege an ihren Diskussionen beteiligt, war seltsam schweigsam. Wenn er einmal seine Bilder „blubberte", war es nur wie ein müdes, schwaches Flackern, ein Wetterleuchten statt Blitzgewitter.
H!!!, die banthusische Schwesternfigur, lag ruhig wie eine seit Ewigkeiten von der Brandung umspülte Kugel im weißen Sand. Bei ihr musste man ständig darauf gefasst sein, dass sie wieder zu „flitzen" begann, ohne jegliche Rücksicht auf Verluste, bis sie sich abreagiert hatte. Jetzt hatte der Sternenvagabund nicht den Eindruck, dass von ihr so schnell „Gefahr drohte".
Die knochenlose, meterlange Gestalt von Bylilin, dem Kauloplast, hatte sich flach in den Sand gelegt. Er schien zu schlafen, aber auch das täuschte oft.
Wenn man merkte, dass die eigenen melancholischen Gedanken und Sehnsüchte gar nicht die eigenen waren, sondern von ihm geschickt, war es oft zu spät und das Erwachen wie ein verschleppter Kater.
Der Rest der Gruppe verhielt sich ebenfalls ruhig. Sie alle warteten. Die generelle Marschrichtung stand fest und war gebilligt. Nun kam es darauf an, konkret und initiativ zu werden.
Chyndor stand neben Kantiran und Cosmuel. Die Gruppierung besaß etwas Symbolisches. Kantiran war in der Mitte, rechts von ihm Chyndor, links Cosmuel Kain.
Der Patron gab durch sein ganzes Verhalten deutlich zu verstehen, dass er Kantiran endgültig als gleichberechtigt neben sich ansah. Es mochte Situationen geben, in denen sich zeigen musste, wer von ihnen die wirkliche Stimme der Friedensfahrer auf N’jabo Sant war. Noch stellte sich dieses Problem nicht.
Kantiran und Chyndor trugen jeweils in einem Rucksack einen kompakten Hyper-Impulsgeber als ihr einziges Mittel, ohne Zugang zu den OREON-Kapseln später um Hilfe zu rufen. Ansonsten führten die Friedensfahrer nur die allernötigste technische Ausrüstung mit. Ihre Schutzanzüge isolierten ihre Individualimpulse und Wärmeabstrahlungen, sodass sie auf Anhieb nicht zu entdecken waren, selbst mit empfindlichen Ortern nicht.
Die zehn Kapseln standen, säuberlich nebeneinander aufgereiht, zwischen den Friedensfahrern und dem Ozean, von der schon tief stehenden Sonne blutrot angestrahlt, wie in die Ewigkeit gebannte Tränen eines Himmels, der nun die vielleicht passende Abschiedsstimmung für sie zauberte.
Sie waren uralt, entstammten einer Technologie, die lange vor den Friedensfahrern gewesen war, sogar lange bevor ihre Organisation gegründet wurde. Alle Versuche, ihre Technik zu begreifen, ihre Geheimnisse zu
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