2477 - Die GrÃŒndermutter
Miniholoprojektor umwandeln und auf die Innenseite seiner Helmrüstung projizieren.
Was er sah, gefiel ihm. Obwohl es bis zur eigentlichen Vollversammlung noch fast fünf Stunden dauerte, füllte sich bereits das Palais. Das Interesse am gegenseitigen Austausch vor der Wahl war groß, offensichtlich auch daran, vor der Abstimmung noch einmal die Reden der Kandidaten zu hören. Die Friedensfahrer, so individualistisch sie auch sein mochten, liebten es offenbar, über Interna zu diskutieren und jedem lautstark die eigene Meinung mitzuteilen.
Kantiran war nach wie vor nicht aufgetaucht. Scot Elien war zufrieden.
Sollte dieser Narr doch auf Ospera suchen, was immer er zu finden hoffte. Angesichts des wenigen, was er nach der Beerdigungszeremonie an Chyndors Grabhügel belauscht hatte, vermutete Elien, dass die beiden dorthin zurückgekehrt waren, um die Gründermutter zu suchen.
Die Gründermutter!
Sollten sie nur. Schon der Versuch brach eines der grundlegenden Tabus des Geheimbunds. Aber darum hatte sich Kantiran noch nie geschert. Stets war er in dieser Hinsicht negativ aufgefallen, etwa als er zum Verbotenen Mond der Enthonen vordrang. Farigu gedachte, diese Eigenschaft seines Konkurrenten auszunutzen, um ihn in Misskredit zu bringen. Kantirans Fehlen an diesem entscheidenden Tag bot dazu den perfekten Anlass.
Die Gründermutter war lange tot. Ihre mythische Gestalt zu entheiligen würde Kantiran den Kopf kosten – bildlich gesprochen.
Pausenlos strömten Friedensfahrer durch die geöffneten Pforten des Palais, eines runden Zylinderbaus, dessen ziegelfarbene Außenfassade zahlreiche Rundbogenfenster mit eingestellten Säulen dominierten. Auf dem Flachdach wuchsen Grünpflanzen, über der Hälfte des Raums wölbte sich eine transparente Kuppel, deren Ansatz die Holoaufzeichnung noch zeigte. Er hatte sie jedoch so oft gesehen, dass er das Bild problemlos in jedem Detail ergänzen konnte.
Elien empfand die Passanten weder als Insektoide noch als Humanoide, weder als Spinnenartige noch als Echsenwesen, weder als Vogelartige noch als bizarre Individuen, die sich in kein Schema pressen ließen – für ihn waren sie nicht einmal Friedensfahrer, sondern einzig und allein potenzielle Wähler. Er benötigte sie, um Patron zu werden ... also würde er ihnen zu Gefallen sein, solange es nötig war.
Er musste alles geben, um gewählt zu werden, nicht nur um einen persönlichen Erfolg zu feiern, sondern auch, um die Zukunft der Friedensfahrer zu sichern.
Denn Kantiran würde den Geheimbund ins Verderben führen. Das durfte nicht geschehen.
Scot Elien entdeckte Polm Ombars mächtige Gestalt inmitten der Holoaufnahme. Der Revisor stampfte in Richtung des Palais, demonstrierte damit sein Interesse an der Vorversammlung.
Das hieß für Farigu nichts anderes, als dass die Ruhepause vorüber war; die Arbeit rief. Er musste versuchen, noch einmal mit dem Revisor zu sprechen, um in Erfahrung zu bringen, ob und wie dieser sich zu Kantiran äußern würde.
Er beendete den Tarn-Modus, gab den hyperstatischen Kontra-Impuls, der die Rüstung wieder in weichen Stoff wandelte, und setzte sich in Bewegung. „Lasst mich durch", flüsterte er seinen Helfern im künstlichen Nebel zu; sie mochten keine lauten Geräusche und würden spätestens, wenn sie ebenfalls zur Vollversammlung gingen, ihre Akustik-Dämpfungsfelder aktivieren müssen.
„Du willst jetzt schon ..."
„Ja, ja", murmelte er unwirsch, war aber klug genug, ein „Entschuldigt bitte" hinterherzuschicken. Er durfte sein stets höfliches und korrektes Auftreten nicht verlieren, egal wie anstrengend die nächsten Stunden zu werden drohten.
Der Lohn würde groß sein, davon war er überzeugt.
Dies war der Tag, an dem er Geschichte schrieb.
Er hastete in Richtung einer der Pforten, nahm dabei Dutzende Glückwünsche entgegen, ohne die einzelnen Sprecher überhaupt wahrzunehmen. Ständig gab er Belanglosigkeiten von sich und versuchte eine Aura der gespannten Konzentration und Erwartung zu verströmen.
Wenig später stand er in dem etwa 8000 Sitzplätze umfassenden Amphitheater, das das Innere des Palais bildete. Er schätzte, dass etwa 1000 Plätze belegt waren.
Ein Holo über dem Hauptrednerpult gab an, dass die aktuelle Hochrechnung des Orakels, des Zentralrechners der Mondkette, aufgrund der Besucherzahlen der Mondkette und der Anmeldungen zur Wahl eine Gesamtteilnehmerzahl von 3000 Friedensfahrern prognostizierte. Das entsprach immerhin zwei Dritteln aller
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