Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
248 - Entfesselte Gewalten

248 - Entfesselte Gewalten

Titel: 248 - Entfesselte Gewalten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
Vom Netzwerk:
eine Erste wird es auch nicht mehr geben, sondern nur noch ein Letzte. Und die werde ich sein.«
    Sie lächelte böse, doch das Lächeln gefror ihr auf den Lippen, als sie merkte, dass sie ihren rechten Fuß nicht mehr nachziehen konnte. Elloa runzelte die Stirn, blickte an sich hinunter: Die Fäden ziehende, grauweiße Masse hatte Tentakel ausgebildet, und die hielten ihre Knöchel so fest, dass sie keinen Schritt mehr vorankam. Sie riss die Augen auf, schluckte und krächzte: »O ihr Götter, was…«
    »Die Götter üben Gerechtigkeit«, zischte Babagaya vor ihr am Boden. Die fremdartige, grauweiße Masse wucherte ihr bereits bis über die Hüften, und Naakiti in ihren Armen schnürte sie schon den Hals zu. »Wie wir beide, gehörst auch du bald zum Harem des Todes«, höhnte Babagaya.
    ***
    Über der Wolkenstadt
    Rönee fragte sich, ob Lysambwe auch zitterte. Die Männer an der Schalttafel mit den Ventilzügen und Dampfhebeln zitterten, und die Männer an der Brennkammer zitterten auch. Nur weil er das sah, merkte Rönee überhaupt, dass er selbst ebenfalls zitterte. Seine Knie schlotterten, seine Zähne schlugen gegeneinander, und seine nassen Hände verkrampften sich um das Steuerruder, als würde es ihm den letzten Halt vor dem Ertrinken geben. Und war es nicht auch so ähnlich?
    Nur Lysambwe zitterte nicht. Er stand am Fenster des Luftschiffes, drückte das Fernrohr gegen die Augenhöhle und stand starr wie eine Holzfigur.
    Wimereux-à-l'Hauteur war abgestürzt.
    Die kaiserliche Wolkenstadt lag zerbrochen am Rand des nächtlichen Dschungels. Zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahren – und diesmal endgültig. Da war nichts mehr zu retten, und die Verluste an Menschenleben mussten in die Hunderte gehen!
    Zwei der Männer an der Brennkammer und an der Schalttafel murmelten zusammenhangloses Zeug. Rönee hörte ein paar Namen heraus, und ein paar Satzfetzen, die nach einem Gebet klangen.
    Jetzt bewegte sich auch der Hauptmann wieder: Lysambwe ließ das Fernrohr sinken, legte den linken Arm gegen die Wandvertäfelung und stützte die Stirn dagegen. Und wieder stand er viele Atemzüge lang so reglos wie eine Holzfigur.
    »Wir müssen etwas tun, Hauptmann«, flüsterte Rönee mit zitternder Stimme. »Die Bürger von Wimereux-à-l'Hauteur brauchen unsere Hilfe.« Es tat ihm weh, seinen Vorgesetzten in einem derartigen Zustand des offensichtlichen Schocks zu erleben.
    »Stadt ansteuern, Landung einleiten«, krächzte Lysambwe, ohne den Kopf von seinem gegen die Wand gestützten Arm zu nehmen. Rönee zwang seine Knie und seinen Unterkiefer zur Ruhe. Es gelang ihm schließlich, das Steuerruder zu drehen. Die Männer vor der Brennkammer und der Schaltkonsole reagierten jedoch nicht auf die Worte des Hauptmanns. Sie wirkten, als hätte jemand sie halb bewusstlos geprügelt.
    »Seid ihr taub?!« Lysambwe stieß sich von der Wand ab und fuhr herum. »Zur Stadt! Und dann hinunter mit der Gondel!« Die Männer zuckten zusammen und taten, was sie tun mussten. Lysambwe ließ sie nicht aus den Augen.
    Die Roziere flog nun Richtung Stadt. Rönee sah nur Umrisse von zerbrochenen Gebäuden, geborstenen Bodenplanken und einige noch über den Bäumen schwebende Stabilisierungsballons. Hier und da konnte er Ansammlungen kleinerer Menschengruppen erkennen. Auch viele leblose Körper sah er zwischen den Trümmern liegen.
    »Tiefer«, knurrte Lysambwe. »Runter mit dem Schiff!« Er riss die Luke auf und trat an den Rand. Eine frische Brise wehte in die Gondel hinein. Rönee atmete tief durch. »Der Kaiser!«, ertönte Lysambwes erregte Stimme. »Ich sehe Seine Exzellenz! Hinunter mit dem Luftschiff, schneller!«
    Rönee und die Männer arbeiteten konzentriert. Die Arbeit drängte das Grauen zurück, das sich einer schwarzen Woge gleich in ihrer Brust gestaut hatte. Die Roziere sank der nächtlichen Trümmerlandschaft entgegen. Ein Ruck ging durch das Luftschiff, als es aufsetzte.
    Rönee arretierte das Steuerruder, sprang aus der Gondel und griff zum Ankerseil. Sieben oder acht Schritte entfernt hieb Hauptmann Lysambwe auf eine pulsierende, sich schlängelnde und bebende Masse ein. Wie ein weißgrauer Pilz sah sie aus – ein Pilz, der dabei war, die ganze Stadt zu befallen!
    »Helft mir!«, rief Lysambwe. »Unser Kaiser steckt fest!«
    Rönee begriff: Das war der rätselhafte Pilz, nach dem Ausschau zu halten sie Prinz Akfat losgeschickt hatte. Und während sie an der falschen Stelle suchten, hatte er hier zugeschlagen. War er denn so

Weitere Kostenlose Bücher