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248 - Entfesselte Gewalten

248 - Entfesselte Gewalten

Titel: 248 - Entfesselte Gewalten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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klug und gefährlich wie ein Mensch?
    Rönee verknotete das Ankerseil an einem zerborstenen Teil der Stadtreling und zog seinen Degen. Inmitten der Pilztentakel sah er Männer und Frauen strampeln und mit den Armen rudern; unter ihnen erkannte er den Kaiser. Mit einem Hieb durchtrennte er ein Gespinst aus Pilzfäden, das de Roziers Beine festhielt, mit dem nächsten einen Tentakel, der Lysambwes Hüften umschlingen wollte.
    »Worauf wartet ihr?«, krächzte der Hauptmann seinen anderen Soldaten zu. Die Degen in den Händen standen die Männer ratlos und wie gelähmt vor Entsetzen. »Der Pilz lebt! Schlagt zu! Er ist euer Feind! Befreit euren Kaiser!«
    Jetzt erst begannen die Soldaten mit ihren Klingen nach dem Pilz zu schlagen. Auch Pilatre de Rozier hieb mit seiner Klinge um sich. Wie eine Decke umhüllte ihn eine teilweise geschlossene Pilzschicht. Rönee begriff, dass ihn dieser dicke Wust aus Pilzfäden vermutlich abgepolstert hatte, als die Wolkenstadt im Dschungel aufgeschlagen war – und ihm damit das Leben gerettet hatte. Doch gewiss nicht vorsätzlich. Rönee zückte seinen Dolch, rammte die Klinge in die Pilzmasse und schlitzte sie auf.
    Nach bangen Minuten gelang es ihnen schließlich, den Kaiser und mit ihm elf Männer aus den Tentakeln und Fäden des mörderischen Organismus zu befreien. Für zahlreiche andere Soldaten der kaiserlichen Garde kam jede Hilfe zu spät. Unter den Toten blieb auch ein Colonel namens du Maisonrouge zurück.
    Längst versuchte der Pilz, ihnen den Rückweg in die Roziere abzuschneiden.
    Mit letzter Kraft schlugen Lysambwe, Rönee, de Rozier und die anderen Soldaten eine Bresche in die stinkende, weißgraue Masse. Es gelang ihnen, sich aus der Umklammerung des Pilzes zu befreien und in das Luftschiff zu fliehen. Während der Kaiser und Lysambwe innerhalb der Gondel versuchten, die Dampfmaschine anzuwerfen und die Roziere zu starten, hieb Rönee das Ankerseil durch und verteidigte mit einem halben Dutzend Soldaten die Luke, während die Pilztentakel versuchten, das Luftschiff zwischen den Trümmern festzuhalten.
    Endlich überwand die Kraft des Auftriebs die Gier des Pilzes, und die letzten Fäden zerrissen oder wurden durchtrennt – die Roziere stieg auf. Die Männer wollten triumphieren, doch der Jubel blieb ihnen im Halse stecken, als sie unter sich im Mondlicht die Verwüstung auf der schnell zurückbleibenden Trümmerstadt sahen.
    »Ich danke euch«, sagte der Kaiser. »Ich danke euch allen.« Er befahl, Kurs auf den Spezialkerker mit den beiden Gefangenen zu nehmen. »Der Pflanzenmagier hat diese Katastrophe verursacht«, sagte der Kaiser leise. »Maddrax' Sohn hat unsere Stadt zerstört. Vielleicht hat die Raserei des Pilzes ein Ende, wenn wir Daa'tan einfach umzubringen.«
    Rönee übernahm das Steuerruder. Dem leisen Gespräch zwischen dem Kaiser und Lysambwe entnahm er, dass Prinz Akfat tot war. Er senkte den Blick, um seine Tränen zu verbergen.
    ***
    Vier Stunden zuvor
    Sie mussten nicht lange suchen, bis sie das abgestürzte Luftschiff zwischen den Kronen zweier Urwaldriesen fanden, deren Geäst teilweise miteinander verwachsen war. Knapp vier Meter über den Baumwipfeln drehten sie ein paar Runden und hielten nach Überlebenden Ausschau. Schließlich entdeckte Aruula einen schwarzhäutigen Mann mit kurzem Kraushaar, fleckigem Rüschenhemd und einer geflickten Hose.
    »Sieh doch, Maddrax!« Sie deutete nach unten. »Dort im Geäst! Zwei Schritte von der Gondel entfernt!«
    Jetzt sah ihn auch Matt Drax. Der Schwarze war aus der havarierten Roziere gestiegen und befestigte gerade ein Tau an einem starken Ast. Die Gondel selbst schien unbeschädigt, nur der Propeller und einige Gestänge waren verbogen. Allerdings stieg Rauch von der Gondel auf; offensichtlich hatte sie im Inneren Feuer gefangen.
    Der Ballon selbst bestand nur noch aus Fetzen. Die hatten sich weiträumig über die beiden Baumkronen verteilt und hingen verfangen und verkeilt im Geäst. Durch ein paar Seile war die Gondel noch mit zwei großen Fetzen verbunden und wurde so zwischen mehreren starken Ästen festgehalten.
    An der offenen Einstiegsluke der kleinen Roziere winkte eine Frau. Sie blutete aus einer Kopfwunde. Ein Kind klammerte sich an ihrem Schenkel fest und schrie. Rauch quoll über die Köpfe der beiden Menschen hinweg aus der Roziere.
    Matt Drax begriff: Der Mann befestigte das Seil im Geäst, um seine Familie zu retten. Er senkte den Gleiter noch tiefer hinab, um ihn parallel zur Gondel

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