2480 - Die Prognostiker
Kybernetiker schreckte hoch. Einen Moment lang wusste er nicht, wo er war.
Und der Kosmitter ... er sah keinen zweieinhalb Meter großen Insektoiden vor sich, sondern eine Gestalt aus Staub, die unter der seitlich geschlitzten Robe unablässig rieselte, ohne an Substanz zu verlieren. Was sie aus dem Gesicht verlor, sammelte sich wieder an der Robe, wurde von ihr aufgefangen und zurückgeleitet, floss hoch und ersetzte, was sich gelöst hatte.
Ich werde seine Leiche tragen, dachte er.
Dann war der Spuk vorbei. Isokrain sah wieder aus wie eine riesige irdische Fangschrecke mit einem Arm- und zwei Beinpaaren.
Eine Vision, dachte Savoire. Und korrigierte sich sofort: Nein, ein Trugbild, hervorgerufen durch meine Anspannung und Gereiztheit.
„Ja, ich höre dir zu." Seine Stimme zitterte, und er hoffte, dass der Insk-Karew es nicht bemerken würde.
„Unbemerkt macht sich ESCHER nun, da der unbekannte Faktor wegfällt, den halben Portivabschnitt 3h3h2 untertan", fuhr der Kosmitter fort.
„Aus dem Verborgenen heraus. Ich muss schon sagen, er demonstriert eindrucksvoll die Leistungsfähigkeit einer Parapositronik."
„Ja", sagte Savoire leise, noch immer bemüht, seine Stimme unter Kontrolle zu bekommen. „ESCHER kann ein sehr, sehr unauffälliger, aber auch sehr, sehr mächtiger Schädling sein!"
„Schädling?", fragte Isokrain.
„So habe ich es nicht gemeint. Verzeih mir bitte. Ich bin ... nicht ganz bei mir. Die Anspannung der letzten Tage ... das Vibra-Psi ..."
„Ich verstehe", sagte der Kosmitter.
Aber es klang irgendwie falsch. „Ich leide auch darunter."
Um das Thema endgültig zu wechseln, stand Savoire auf und ging zu dem Terminal, in dessen Lesegerät er den Datenkristall geschoben hatte, den er in der Unterkunft gestohlen hatte. Er harrte noch immer seiner Auslesung.
Die nicht so einfach gelingen würde.
Weder Isokrain noch er waren mit ihren Mitteln dazu imstande, den benutzten Informationskode zu entschlüsseln. Und ESCHER benötigte derzeit seine gesamte Kapazität, um sich eine möglichst große Machtbasis im Portivabschnitt zu verschaffen. Deshalb sprach er zurzeit erneut nicht direkt zu ihnen.
Nicht einmal seine Avatare Merlin Myhr und Pal Astuin materialisierten, um Isokrain und ihn über die neuesten Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten.
Einzig die Benennung des Kristalls war in TraiCom-Klartext gehalten: Die Periodische Chronik des Latifalk-Acht-Acht.
Was immer das bedeuten sollte – Savoire vermochte sich keinen Reim darauf zu machen.
Übergangslos bildete sich vor ihm ein Holo. Zumindest ESCHERS Allgemein-Positronik hatte nicht vergessen, dass sich im Versorgertrakt noch zwei Normalsterbliche aufhielten, die auch gern gewusst hätten, was außerhalb ihres Verstecks geschah.
Die dreidimensionale Darstellung zeigte eine Großaufnahme der Baustelle und hob an ihrem Rand 15 Objekte in Falschfarben hervor. Dann wurde sie von Vergrößerungen ersetzt, die rasch wechselten, im Prinzip aber immer dasselbe zeigten.
15 Kolonnen-Fähren glitten nahe dem Portivabschnitt in den Normalraum.
Beeindruckend, dachte Savoire wider seinen Willen. Durchaus beeindruckend.
Die Fähren gaben ihre Verband-Formation auf und schwärmten aus, umschlossen das Gebilde aus 24 gestapelt montierten Kolonnen-Forts, nahmen es in ihre Mitte. Datenholos leuchteten auf, informierten die Betrachter, dass sich Fesselfelder von ungeheurer Kraft bildeten und das vor Kurzem fertiggestellte Objekt ergriffen.
Werden wir Terraner so etwas jemals zustande bringen?, fragte sich Savoire.
Wollen wir es überhaupt?
Der gewaltige Verbund begann mit geringen Werten zu beschleunigen. Die Datenholos extrapolierten die Richtung der Bewegung und ermittelten als Ziel das absolute Zentrum der Galaxis Hangay.
Bis die Einheiten in den Hyperraum wechseln konnten, würden einige Stunden vergehen.
Dr. Savoire hoffte, dass ESCHER nun Zeit finden würde, sich mit der Periodischen Chronik zu befassen.
ENDE
Weitere Kostenlose Bücher