2480 - Die Prognostiker
vergrößertes Goldfischglas. Eine Art Schneegestöber-Effekt erfüllte ihr Inneres, die optisch sichtbare Nebenwirkung eines unbekannten hyperphysikalischen Effekts, wie sie mittlerweile herausgefunden hatten. Bei dem „Schnee" handelte es sich um die Darstellungen von Galaxien, die unablässig ihre Position veränderten, und die Hülle des Bassins bestand keineswegs aus Glas, Kunststoff oder etwas Ähnlichem, sondern aus einer rätselhaften Energieform. Durch das Medium, das sich dahinter befand, trieb ein Wesen, das auf den ersten Blick wie eine überdimensionale, zehn Meter große Qualle wirkte. Darunter befand sich der Versorgertrakt, ein annähend würfelförmiges Gebilde mit etwa 120 Metern Kantenlänge.
Dr. Savoire wusste mittlerweile aus eigener Erfahrung, dass von ihm eine starke mentale Aura von Wissen ausging.
Der Weltweise von Azdun.
Nur ihm hatten sie es zu verdanken, dass sich ESCHER an Bord einer Kolonnen-Fähre hatte einschleichen können, die die Parapositronik durch den Kernwall Hangay und, wenn alles klappte, nach GLOIN TRAITOR bringen würde.
Der Weltweise verfügte über die notwendige Identifikation. Er konnte sich mit Spezialkodes als Bestandteil der Neganen Stadt ausweisen, und ein Zusatzkode stellte ihn sogar unter den besonderen Schutz des Chaotarchen Xrayn, mit dem er „befreundet" war, auch wenn schon seit Jahrmillionen kein Kontakt mehr zwischen den beiden bestand.
Aber das konnte die Besatzung der AGYYRE nicht wissen. Für sie war die Weltkugel ein wichtiges Element der Terminalen Kolonne, das bis zur Ankunft der Neganen Stadt in Hangay unbedingt geschützt werden musste.
Bis zu jenem Augenblick, da die Proto-Negasphäre zur echten wurde. Damit waren der Weltweise und seine Weltkugel quasi unantastbar.
Und was niemand an Bord der Fähre wissen konnte: In den Versorgerkomplex der Weltkugel waren die Elemente der Parapositronik ESCHER integriert.
ESCHER und der Weltweise waren ein verdecktes Angriffskommando, das GLOIN TRAITOR zum Ziel genommen hatte.
ESCHER war vom Nukleus der Monochrom-Mutanten in den Einsatz geschickt worden. Ziel der angehenden Superintelligenz war es, den Grenzwall und den Kernwall Hangay abzuschalten. Das war jedoch nur über den Umweg der Nadel des Chaos möglich, die beide Wälle kontrollierte. GLOIN TRAITOR musste manipuliert – oder vielleicht sogar besser vernichtet – werden.
Der Weltweise war in der Tat ein Angehöriger der Kolonne, ein ehemaliger Vertrauter des Chaotarchen Xrayn, ein Wesen, das eigentlich den Schritt zur höheren Wesenheit vollziehen wollte, zum körperlosen WELTWEISEN. Zu diesem Zweck – so glaubte er selbst – musste er sterben, um die Fessel seines Körpers in der Weltkugel abzustreifen.
Nach der Begegnung mit ESCHER und den Terranern hatte der Weltweise seine Pläne aufgeschoben. Nun plante er seinen Tod beim Angriff auf GLOIN TRAITOR, um zuvor der Terminalen Kolonne TRAITOR maximalen Schaden zuzufügen.
Der Weltweise hatte zugestimmt, ESCHER in seinen Versorgertrakt zu integrieren und sich gemeinsam mit seinem Passagier von einer Kolonnen-Fähre aufnehmen zu lassen, um auf diese Weise ins Innere des Kernwalls Hangay zu gelangen, wo sich GLOIN TRAITOR befand.
Merlin Myhr erschien aus dem Nichts neben Dr. Laurence Savoires Sessel.
Der kleine, stämmige Mann – falls man diese Bezeichnung verwenden wollte – trug aus Macht der Gewohnheit einen schwarzen Anzug.
„Der Kommandant der Kolonnen-Fähre hat sich soeben beim Weltweisen gemeldet", sagte er mit finsterer Miene.
Savoire reagierte gelassen. Der Avatar ESCHERS setzte permanent ein düsteres Gesicht auf, genau wie sein Kollege Pal Astuin. Daraus konnte man keine Rückschlüsse ziehen, ob er eine gute oder eine schlechte Nachricht überbrachte. „Und?"
„Er hat sich als Kalbaron Parukir identifiziert. Es handelt sich übrigens nicht um den Kalbaron, den Isokrain schon kennengelernt hat."
Savoire nickte. Die Weltkugel verfügte über eine Funkanlage, mit deren Hilfe das seltsame Geschöpf mit Kolonnen-Angehörigen kommunizieren konnte. „Und was hat er gesagt?"
Merlin Myhr war einer der beiden Avatare ESCHERS, die ursprünglich für die Rekrutierung neuer Prozessoren zuständig gewesen waren. Vielleicht hatte der ehemalige TLD-Agent sich dabei angewöhnt, mit Vorliebe um den heißen Brei herumzureden.
„Er hat Kursanweisungen empfangen, und das Eindringen in die Kernzone Hangay steht unmittelbar bevor."
„Also endlich gute Nachrichten", sagte der Erste
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