2480 - Die Prognostiker
Kybernetiker.
„In der Tat. Willst du die Aufzeichnung hören?"
Savoire nickte, und Merlin Myhr wedelte mit der Hand. Eine tiefe Stimme durchdrang den Raum. Sie sprach befehlsgewohnt, doch auch mit einer gehörigen Ehrfurcht.
Der Weltweise hatte schon zuvor klargestellt, wie wichtig er innerhalb des Gefüges der Terminalen Kolonne war.
„Welches Ziel genau hast du? Wohin möchtest du mit deiner Weltkugel gebracht werden?"
Eine andere, völlig unpersönliche, künstlich klingende Stimme antwortete. Die des Weltweisen, der über die Funkanlage sprach. „Mein Ziel ist selbstverständlich GLOIN TRAITOR.
Die Nadel des Chaos bedeutet für mich bis zum Eintreffen Xrayns maximale Sicherheit."
„GLOIN TRAITOR", echote Kalbaron Parukir. „Leider kann ich dir dieses Flugziel nicht bestätigen. Die AGYYRE hat keine Berechtigung, bis GLOIN TRAITOR durchzufliegen."
„Was schlägst du vor?"
„Wir werden dich an einem anderen Ort absetzen, von dem jedoch die Möglichkeit besteht, nach GLOIN TRAITOR weiterzureisen."
Savoire schluckte. Eine weitere Verzögerung ... Aber damit war zu rechnen gewesen. Nur ein naiver Tropf konnte davon ausgehen, dass die Nadel des Chaos so einfach zu erreichen war.
Auch in dem aufgezeichneten Gespräch ergab sich eine Verzögerung.
Savoire konnte sich vorstellen, was sich in diesem Augenblick abgespielt hatte.
Offensichtlich dachte der Weltweise darüber nach, ob seine Befugnisse ausreichten, dem Kalbaron zu befehlen, GLOIN TRAITOR direkt anzufliegen.
Aber damit hätte er nur unnötiges Aufsehen erregt. Die Kodes mochten solch eine Anweisung rechtfertigen, doch wenn die verantwortlichen Stellen misstrauisch wurden, würden sie vielleicht anordnen, den Weltweisen noch einmal auf Herz und Nieren zu überprüfen. Und das sollten sie nach Möglichkeit vermeiden.
„Gut", sagte der Kalbaron schließlich, um das Schweigen zu beenden.
„Wir werden mit deinem Einverständnis so vorgehen, wie ich es vorgeschlagen habe. Unsere Kolonnen-Fähre hat soeben Kursanweisungen eines Raum-Zeit-Routers empfangen. Wir werden in acht Minuten aufbrechen."
Merlin Myhr machte wieder eine Handbewegung und beendete damit das Abspielen der Aufzeichnung.
„Endlich", sagte Savoire. „Die Wartezeit ist damit vorbei."
„Den Anschein hat es", bestätigte der Avatar. „Dieses Gespräch fand vor zehn Minuten statt. Die Fähre hat sich bereits in Bewegung gesetzt."
Savoire lächelte schwach. Und an Bord befanden sich, wie er in den letzten zwei Tagen erfahren hatte, zahlreiche kleine und große Objekte der Terminalen Kolonne, die in die Kernzone Hangay transportiert werden sollten.
Aber dieses Mal brachte die AGYYRE nicht nur gewöhnliches Frachtgut ...
„Ob TRAITOR etwas mit dem Begriff Trojanisches Pferd anfangen kann?", fragte er sich laut.
„Wie bitte?"
„Eine Bezeichnung aus der terranischen Antike", erklärte er. „Nur, dass unser Pferd nicht aus Holz ist und in seinem Bauch keine Soldaten in die Stadt Troja trägt, sondern eine Reihe unerbittlicher Feinde TRAITORS in die Kernzone der entstehenden Negasphäre, die das Ziel haben, GLOIN TRAITOR, die Nadel des Chaos, zu infiltrieren."
„Wie theatralisch", sagte der Avatar.
„Und eine merkwürdige Metapher – Soldaten in einem Holzpferd?"
Dr. Savoire zuckte die Achseln und rief ein weiteres Holo auf.
Anhand der scheinbaren Bewegungen der Sterne erkannte er, dass die Kolonnen-Fähre beschleunigt hatte.
Dann veränderte sich die Darstellung abrupt und zeigte nur noch dunkelrote Schlieren.
Die AGYYRE vollzog ein erstes Überlichtmanöver durch den Kernwall.
Offensichtlich exakt nach den Kursanweisungen der Raum-Zeit-Router drang sie in den für die Galaktiker absolut nicht zu durchbrechenden Kernwall ein.
Ein weiterer Schritt auf meinem Weg, dachte Dr. Laurence Savoire. Und ich werde nicht mehr viele davon tun können.
Er war als einziger wirklich lebender Terraner Teil des Systems ESCHER.
Als er sich bereit erklärt hatte, den Flug mitzumachen, hatte er gewusst, was ihn an dessen Ende erwartete.
Der Tod.
Es gab nach menschlichem Ermessen keine Möglichkeit, diese Mission zu überleben. Jeder Schritt, der ihn näher zu GLOIN TRAITOR brachte, war ein Schritt zu seinem Tod.
Natürlich hatte er schon seit Langem seinen Eintritt als Prozessor in die Parapositronik geplant, damals aber noch unter anderen Voraussetzungen.
Damals war ESCHER gleichbedeutend mit der Verheißung auf eine Art Unsterblichkeit gewesen. Der Prozessor einer
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