2482 - Der ewige Kerker
gar nichts bewirken würde. Die Fische gingen auch nicht im Mindesten darauf ein, sondern brüllten nur umso hektischer durcheinander.
„Zuerst das Wasser, dann die Säure, sonst geschieht das Ungeheure."
„Der höchste Akt der Vernunft, in dem sie alle Ideen umfasst, ist ein ästhetischer Akt; Wahrheit und Güte sind nur in der Schönheit verschwistert."
„Hat man mal den Korkenzieher verlegt, einfach heißes Wasser über den Flaschenhals rinnen lassen, dann drückt die erwärmte Luft den Korken raus. Eignet sich besonders gut für Glühwein."
Die Frau, deren Käfig in Relation zur Körpergröße nicht viel geräumiger war als jener der Fische, wurde des zusammenhanglosen Gebrabbels überdrüssig. „Helft mir", bat sie eindringlich, den Säurebecher hochhebend und schwenkend, „oder ..."
„Das religiöse Elend ist in einem der Ausdruck des wirklichen Elendes und in einem die Protestation dagegen. Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, der Geist geistloser Zustände."
„Genau! Aber durch null teile nie, dies bricht dir das Knie."
„Fettflecken auf der Tapete beseitigt Backpulver."
Ihr reichte es. Sie neigte den Becher, kippte die Säure ins Aquarium. Gerade noch rechtzeitig fiel ihr die Ermahnung ein: Bedenke, dass du deren Klagen kein zweites Mal vernimmst!
Sie lief zur Tonbandmaschine und legte den roten Schalter um. Ein Fingerbreit darüber leuchtete ein Lämpchen auf.
Die Fische schnatterten panisch durcheinander. Silberne und rotgoldene Schuppen lösten sich, trieben davon, an die kochende Oberfläche.
Grässlich spitze Schreie ertönten.
Nie hätte sie sich merken können, was die sterbenden Fische brüllten.
Viel später, als das Sprudeln und Wallen, das Wehklagen und Zerfallen abgeklungen war und sie selbst ihre Beklemmung überwunden hatte, drückte sie den Wiedergabeknopf.
Sie brauchte viele Umläufe der Bandschleife, Wiederholung um Wiederholung immer derselben Agonien, bis sie vier Begriffe herausfiltern konnte: Ungehemmtheit. Einigkeit. Dominanz. Wahnsinn.
Als sie diese Wörter mit der Tastatur des Lesegeräts eingab, schluchzte sie tonlos.
Dritte Ebene:
Chancen
Am 13. Oktober 1347 NGZ kehrte die SOL nach ergebnisarmem Erkundungsflug ins Winola-System zurück.
Beim ersten Funkkontakt mit Ronald Tekener verhielt sich Dao-Lin-H’ay ungewohnt emotional. Sie gab sich auffällig freundlicher als bei früheren Gelegenheiten, nachgerade enthusiastisch.
„So frohgemut, uns wieder zu sehen?", konnte sich Tek nicht verkneifen zu spotten. „Sag bloß, du hast mich vermisst."
Seine ehemalige Lebensgefährtin fauchte missbilligend. „Wir sind tatsächlich auf Nadeln gesessen. Aber nicht deinetwegen, sondern wegen deines Schiffes."
Sie berichtete kurz von ESCHERS Nachricht. Dann dirigierte sie die SOL zur orbitalen Baustelle.
*
Nachdem der Hantelraumer Parkposition bezogen hatte, kam Dao an Bord.
Sie wurde von einem Barniter und einem Swoon begleitet, beides Offiziere der RICHARD BURTON.
Atlan begrüßte die beiden herzlich und stellte sie Tek, der sie nur vom Sehen kannte, als Oberstleutnant Djato-B3 und Major Alarhuaso vor, Cheflogistiker und Stellvertretender Chefingenieur des Hangay-Geschwaders.
Der Arkonide lud sie in einen Nebenraum der Hauptleitzentrale zur Besprechung, an der auch Admiralin Fee Kellind sowie die Haluter Domo Sokrat und Blo Rakane teilnahmen.
Dao-Lin-H’ay legte den Hyperfunkspruch vor, der von der Kolonnenfähre PASSAGH Richtung Win-Alpha abgestrahlt worden war. Neben einer knapp gehaltenen Erläuterung seines Plans lieferte ESCHER darin drei Koordinatensätze: einen für das Rendezvous mit PASSAGH am 20. Oktober; einen zweiten für spätere Treffen jeweils am
1.
und am 15. November NGZ, um Kontakt aufzunehmen und etwaige Erkenntnisse auszutauschen.
Falls sowohl das SOL-Mittelteil als auch ESCHER bis dahin noch existieren, dachte Tekener.
Der dritte Datensatz bezeichnete Koordinaten 54 Lichtjahre vom gigantischen Schwarzen Loch Athaniyyon entfernt. Sollte das Eindringen in die Kernzone ohne Komplikationen gelingen, schlug die Parapositronik diesen Ort als primäres Flugziel vor: Dort fand sich möglicherweise eine Spur zu KOLTOROC. Darüber, was sie zu dieser Annahme brachte, schwieg sie sich aus.
Abschließend versicherte ESCHER, dass weder Identität noch Position des Empfängers der verschlüsselten Nachricht an Kolonneneinheiten weitergegeben worden waren und wünschte
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