2483 - Die Nadel des Chaos
seine Vorschriften verstoßen und sich mit ihnen eingelassen. Doch die Situation hatte sich geändert. Er hatte sich verändert. Und die umwälzenden Ereignisse der letzten Tage ließen ihn klarer sehen. Plötzlich konnte oder wollte er sich nicht mehr für eine der beiden Zwillinge entscheiden.
Nur in ihren Armen würde er die Kraft aufbringen, die neue Situation zu meistern.
Ein Psychologe hätte seine helle Freude an dir, sagte eine Stimme in seinem Kopf. Du versuchst nur, den Verlust zu verarbeiten, die Lücke, den Tark Klufs Tod hinterlassen hatte.
„Unsinn", flüsterte er. Er musste sich nicht entscheiden. Er konnte beide haben. Und das ohne die geringsten Skrupel ...
Er würde es beweisen. Sich selbst und allen anderen.
Arna räusperte sich. „Können wir uns vielleicht kurz am Riemen reißen und neu orientieren? Unsere Schritte auf ein neues Ziel lenken?"
„Natürlich", sagte er ernüchtert.
„Was kannst du uns über deine Entführung berichten?"
„Nicht viel. Ich kann mich noch immer nicht völlig klar an das Geschehen erinnern. Vermutlich rühren meine ernsthaften Schwierigkeiten daher, dass man mein Kurzzeitgedächtnis gelöscht oder mich sonst wie konditioniert hat."
„Dann müssen wir deine Erinnerungen zurückholen", sagte Oksa.
„Und wie wollt ihr das anstellen? Außerdem müsst ihr vorsichtig sein. Wer weiß, ob man mir nicht posthypnotische Befehle eingepflanzt hat. Vielleicht bin ich für uns alle eine Gefahr ..."
Arna legte die Hand auf den Kombistrahler in ihrem Halfter. „Wir werden auf der Hut sein", versprach sie. Ein leichtes Grinsen hätte ihre Worte vielleicht etwas entschärft, aber sie zeigte keins.
„Das hoffe ich. Für uns alle." Sie rief ein Holo auf. „Wir haben ebenfalls recherchiert. Das Karikin, das mit Vitkineff in Verbindung gebracht wird, ist weder ein Erz noch ein Mineral oder ein sonstiger Rohstoff."
„Sondern?", fragte Atarin.
„Es ist ein Medikament."
*
„Ein Medikament?" Die Überraschungen, die auf ihn einstürmten, nahmen kein Ende.
„Ja. Es ist in erster Linie als Gegenmittel von Arimal-3 bekannt."
Diese Bezeichnung sagte ihm etwas.
Arimal-3 war ein starkes Sedativum, das bei Einnahme einer Überdosis Geist und Körper zerrüttete und bei regelmäßigem Missbrauch Leber, Herz, Stimmbänder sowie etwa ein Dutzend weiterer Organe schädigte. Wer solch eine Überdosis genommen hatte, nahm seine Umgebung nur sehr verzerrt wahr. Weitere Symptome waren Schweißausbrüche und Übelkeit sowie ein übler Geruch des Atems, der durch die Abbauprodukte der Droge entstand. Ohne Behandlung führte eine Überdosis nach mehreren Stunden zum Tod. Über das Suchtpotential von Arimal-3 war ihm nichts bekannt.
„Ich sehe nicht den geringsten Zusammenhang mit den Subtor-Minen", sagte er. „Habt ihr mich auf Spuren dieser Medikamente untersucht?"
Oksa nickte. „Ja. Du bist clean." Im Gegensatz zu ihrer Zwillingsschwester lächelte sie dabei schwach, wurde aber schnell wieder ernst. „Erinnerst du dich an sonst noch etwas? An die Gänge in der Mine, in die man dich verschleppt hat?" Sie musterte sein Gesicht. „Denk nach."
Er dachte nach, und da war noch etwas, doch er konnte es nicht fassen. Sie haben meine Erinnerungen gelöscht, dachte er mit wachsender Verzweiflung.
Aber es war wichtig ...
Ein Wesen aus der Mythologie. Ein Zyklop. Du bist seit zwei Jahren tot!, sagte das Geschöpf mit dem riesigen Auge mitten im Gesicht.
Das Bild verschwamm wieder, verblich, verwehte in den Tiefen seines Hirns. Atarin stöhnte leise auf. „Ich ... fühle mich wie tot", sagte er.
„So schlecht geht es dir?", sagte Arna spöttisch. „Ich wusste gar nicht, dass du ..." Sie verstummte, drehte sich zu einem Terminal in der Medo-Station um, öffnete einen Funkkanal. „Eine kodierte Nachricht vom Hauptquartier", sagte sie. „Höchste Prioritätsstufe, mehrfach gesicherter Kanal."
Atarin runzelte die Stirn.
„Mir blieb keine Wahl, ich musste unsere Kollegen über unsere ... Schwierigkeiten informieren. Die Zentrale will kein Risiko eingehen. Wir bekommen Verstärkung. Ein erstklassiger Agent, wurde mir versichert. Wir treffen uns in drei Stunden mit ihm im Einkaufszentrum Abbadhir, müssen also Maske anlegen."
„Was für ein Kollege?", fragte Atarin.
„Ich kenne ihn nicht persönlich. Er wurde uns angekündigt als Maurits Cornelis."
3.
Hangay
Die Grafik war unübersichtlich und verwirrend. Sie zeigte die Windungen einer Doppelhelix und
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