2483 - Die Nadel des Chaos
Faktor nicht zu unterschätzen.
Isokrain materialisierte in der Schaltzentrale. Der Kosmitter aus dem Volk der Insk-Karew wirkte einen Moment lang geistesabwesend, sah ins Leere, als sei der Ortswechsel zu plötzlich und überraschend gekommen, als wisse er nicht, wo er sich befand. Die Scheren seines Armpaars klackten auf und zu, die kleinen Pseudofingerchen neben ihnen zuckten, bewegten sich rasch, aber ziellos.
Nach einem Moment hatte der zweieinhalb Meter große Insektoide, dessen Körper Savoire unwillkürlich an den einer irdischen Fangschrecke erinnerte, sich wieder in der Gewalt. Er drehte sich zu dem Kybernetiker um.
„Kapazitätsprobleme?", fragte Dr. Savoire. Wann immer diese Schwierigkeiten bislang aufgetreten waren, hatte ESCHER sich des Avatars des Weltweisen als Sprecher bedient. Der Diakater sah das als Anzeichen dafür, dass es der Parapositronik nicht einmal möglich war, ihre eigenen Avatare Merlin Myhr oder Pal Astuin einzusetzen, die ja gleichzeitig als Prozessoren gebraucht wurden.
„Ja", gestand Isokrain. „GLOIN TRAITORS Rechnernetze stellen ESCHER vor gewisse Herausforderungen. Außerdem ..." Der Kosmitter verstummte.
„Ja?", hakte Savoire nach.
„Außerdem kommt es zu gewissen Problemen mit einigen Prozessoren", fuhr Isokrain nach einer geraumen Weile fort.
Der Kybernetiker runzelte die Stirn. „Was habe ich darunter zu verstehen?"
„Sie sind der ständigen Dauerbelastung oder gar Überbeanspruchung nicht mehr gewachsen. Bei einigen wenigen treten sozusagen Störungen auf."
„Was sind sozusagen Störungen?"
Isokrain wedelte zaghaft mit den Fühlern. „ESCHER kümmert sich bereits darum."
„Kann ich etwas tun?"
„Nein. Wir haben bereits darüber gesprochen. Es hätte keinen Sinn, wenn du dich als Prozessor zur Verfügung stellst.
Du bist nur eine Person und kannst die grundlegende Situation nicht verbessern. Außerdem wirst du hier gebraucht."
„ESCHER hat vor, uns wieder auf Erkundung zu schicken?"
„Möglicherweise", antwortete der Kosmitter. „Für den Augenblick obliegt es mir allerdings nur, dich über eine bedeutende Entscheidung der Parapositronik zu informieren."
„Und die wäre?"
„ESCHER sucht nach einer neuen Strategie."
*
„Wiederhol das bitte!", forderte Dr. Savoire.
„Bisher galt als primäres Ziel die vollständige Zerstörung GLOIN TRAITORS", fuhr der Insk-Karew ungerührt fort. Er gab die Überlegungen der Parapositronik weiter, musste sie nicht vertreten. „Wie du weißt, wäre ESCHER jederzeit bereit, sich mitsamt des Weltweisen und GLOIN TRAITOR in die Luft zu sprengen, um seinen Auftrag zu erfüllen. Doch daran ist nicht zu denken.
Das wäre keine Lösung."
„Wir wussten, dass ein Objekt von der Bedeutung von GLOIN TRAITOR gerade in solcher Hinsicht nicht doppelt, sondern eher hundertfach gesichert sein würde", erinnerte Savoire laut.
„Genau. Daher versucht ESCHER zuerst ein sekundäres Ziel zu erreichen. Er strebt eine Manipulation von Grenzwall und Kernwall Hangay an, sodass der Nukleus der Monochrom-Mutanten und seine Helfer von außen Zugang nach Hangay erhalten werden. ESCHER wird sich von nun an völlig auf dieses sekundäre Ziel konzentrieren."
Savoire nickte zögernd. „Ich verstehe ..."
„Der Ansatzpunkt dazu ist klar. Jedes Kolonnenfort der Nadel des Chaos ist an den Elementar-Quintadimtrafer angeschlossen. Will ESCHER den Grenzwall Hangay und den Kernwall beeinflussen, geht das nur über den Quintadimtrafer."
„Das wäre eine Möglichkeit", gestand der Kybernetiker ein.
„Sogar die einzige", bekräftigte der Kosmitter.
Sie hatten dem Datenträger, den sie bei der Leiche Latifalks, des 5-D-Mathematikers von Palkaron, gefunden hatten, einige neue Informationen entnehmen können. Der Quintadimtrafer stand in direktem Zusammenhang mit der Struktur GLOIN TRAITORS. Da die Nadel des Chaos aus übereinandergestapelten TRAICOON-Forts bestand, zog sich durch die gesamte – vollendete – Anlage ein zweiadriger Strang, eine 27.216 Kilometer lange Doppelhelix, die in gewissen Teilen die Funktion eines Kosmonukleotids simulierte.
Die Lebensgeschichte der überdimensionalen Gehäuseschnecke hatte Dr. Savoire verraten, dass T-Prognostiker keine Techniker oder Ingenieure waren, und auch keine Physiker, sondern Spezialisten für fünfdimensionale Mathematik. Auch sie verstanden deshalb nicht vollständig, was in der Doppelhelix geschah. Doch dafür hatten sie umso deutlicher gespürt, welch unerhört tiefgreifende
Weitere Kostenlose Bücher