2488 - Hinter dem Kernwall
fließend und gleichmäßig.
Stimmen ertönten. Menschen kamen um die Ecke jenes Ganges gebogen, in dem er materialisiert war. Sie sprachen viel zu laut, wohl um ihre Angst vor dem Weißen Saal zu übertünchen.
Der Insektoide reagierte zielgerichtet, ohne Hast. Er zog sich mit weiten Schritten zurück, in den Halbschatten eines Seitenkorridors, der von Wartungsrobotern als Zugang zu den Innereien der JULES VERNE genutzt wurde. Dort begann er zu morphen. Die dürre Gestalt zog sich in Blitzesschnelle in die Breite, wurde zu einem ovalen Ding von fünf Metern Höhe. Wo eben noch ein Lebewesen gestanden hatte, lehnte nun ein überdimensionierter Spiegel an der Wand.
Die drei Terraner schlenderten am Korridor vorbei. Keiner von ihnen achtete auf den Spiegel, auf den String-Legaten.
Und selbst wenn sie ihn gesehen hätten, hätten sie es nicht geglaubt. Denn was nicht sein durfte, war auch nicht.
Der String-Legat wartete, bis ihn die Terraner passiert hatten. Dann setzte er seine Beobachtungen nahe 11-1-28 fort.
9.
Der Terraner
Sie befanden sich an einem äußerst ungewöhnlichen Ort des Universums. Das Vibra-Psi wirkte intensiver, durchdringender denn je. Sinneswahrnehmungen stimmten oftmals nicht mit der Wirklichkeit überein, Worte ergaben von einem Moment zum nächsten keinen Sinn mehr.
Immer wieder kam es vor, dass ein Expeditionsmitglied aus heiterem Himmel zu lachen oder zu weinen begann. Andere wandten sich einer Kabinenwand zu und streichelten mit einer Zärtlichkeit darüber, die sonst nur dem Partner vorbehalten war.
Die vielfältigen Wirkungen des Vibra-Psi wurden längst nicht mehr von den Medikern alleine diagnostiziert. NEMO, das Schiffsgehirn, war angehalten, seine Sinne vermehrt auf ungewöhnliche Verhaltensweisen bei den Besatzungsmitgliedern zu richten.
Die Liste der KI wurde länger und länger. NEMO konstatierte Tränen-und Wutausbrüche. Nervenzusammenbrüche. »Anfälle« von Legasthenie. Streitereien, Eifersuchtsszenen, gefühlsduselige Verbrüderungen. Egozentriker gaben sich altruistisch, und Choleriker ließen dümmlich grinsend die schlimmsten Beleidigungen über sich ergehen. Nichts war mehr so wie vordem, das Zusammenleben an Bord der Flottenschiffe unterlag immer größeren - und ungewöhnlicheren - Belastungen.
»Wir bekommen das in den Griff«, behauptete Patience Mafua. »Immerhin konnten wir ausreichend Erfahrung mit dem Vibra-Psi sammeln. Vor zwanzig Millionen Jahren.«
Die Medikerin rang sich ein Lächeln ab. »Die Regenerationsphasen der betroffenen Besatzungsmitglieder müssen so lange wie möglich gehalten werden. Darüber hinaus benötigen die meisten von uns eine vorübergehende medikamentöse Unterstützung. Soweit es uns möglich ist, werden wir die Patienten individuell einstellen. Die Bordpsychologen müssen ebenfalls ihren Teil dazu beitragen. Ich denke, dass der Schiffsbetrieb weitgehend ungestört weiterlaufen wird.«
»Du klingst zuversichtlich, Patience.«
»Die meiste Arbeit nimmt uns NE-MO ab. Du machst dir keine Vorstellung davon, wie punktgerichtet das Schiffsgehirn auf psychische Verhaltensauffälligkeiten der Besatzungsmitglieder zu reagieren imstande ist. Wir hatten damals - ich meine: in der Vergangenheit Tare-Scharms - Vorgehensweisen entwickelt und mit NEMO besprochen, die nun schlagend werden. Mit deiner Erlaubnis, selbstverständlich.« Der Blick der Terranerin war ausdruckslos.
Rhodan hatte seine Bedenken. Sie sollten Entscheidungen, die ihre mentale Gesundheit betrafen, zur Gänze der Schiffsintelligenz überantworten? Auch wenn die biopositronische Einheit noch so gut funktionierte -wer vermochte zu sagen, wie gut sie seelische Befindlichkeiten zu diagnostizieren vermochte?
»Einverstanden«, sagte er schweren Herzens.
Patience Mafua nahm seine Entscheidung regungslos zur Kenntnis, nickte knapp und ging davon, ihre Anweisungen einem sie hektisch umflatternden Schwebe-Roboter diktierend.
Rhodan mochte die altbacken wirkende Frau nicht besonders. Er hatte sie wegen ihrer fachlichen Qualitäten auf diese außergewöhnliche Expedition mitgenommen, nicht aber aufgrund ihrer menschlichen Qualifikationen. Man munkelte, dass sie einen Hochleistungsprozessor anstelle eines Herzens im Leib trug; doch in diesen Stunden und Tagen, da es auf einen kühlen Verstand ankam, war der Unsterbliche froh, eine Medikerin wie Patience Mafua an seiner Seite zu wissen.
Die ersten OREON-Kapseln trafen ein; sehr zu seiner Erleichterung. Sie kamen in Pulks von
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