2489 - Schach dem Chaos
Flottenkommandantin und gaben ihr Empfehlungen, welchen Schriften sie sich als Nächstes widmen sollte. Einer von ihnen bat um eine Erhöhung des Energie-Budgets, ein etwas größeres Exemplar rezitierte mit voller Bassstimme aus alten Schriften.
Energievorhänge waren kunstvoll um die wertvollsten Bücher drapiert. Sie schluckten Licht und Feuchtigkeit, sie sorgten sich um ideale Bedingungen.
»Beachtlich«, übte sich Dao-Lin-H'ay in Understatement. Sie ging die Reihen entlang, zupfte mithilfe bereitstehender Energiekrallen das eine oder andere Buch aus den Stellagen, ohne es zu berühren. »Eine derartige Auswahl an Büchern und Schriften über das Kriegshandwerk habe ich niemals zuvor gesehen.«
»Danke, Erhabene!« Da war kein Stolz in der Stimme; eher so etwas wie ... Bedauern. »All das mahnt mich, was für einem grausamen Handwerk ich mich eigentlich hingebe. Immer wenn ich lese, bedauere ich es. Wenn ich lerne, erfüllt mich Trauer. Wenn ich mit meiner eigenen Arbeit vergleiche, weine ich.«
Dao-Lin-H'ay schwieg. Der strenge Kodex der Kartanin verbot derart offene Worte, wie Ejdu Melia wusste. Doch Log-Aer-M'in war wohl in jeglicher Hinsicht etwas Besonderes.
»Eines Tages wird man auch dich und deine Leistungen in Datenträgern gewürdigt wiederfinden«, sagte sie schließlich.
»Mag sein. Aber ich hoffe, dass ich in Bibliotheken verstaube und irgendwann vergessen sein werde. Das würde bedeuten, dass das Kriegshandwerk ebenfalls vergessen sein wird.«
»Es gibt leider keinen Grund zum Optimismus«, sagte Dao-Lin-H'ay.
Ejdu Melia schlich hinter den beiden Kartanin her, stets darauf bedacht, nicht bemerkt zu werden. Dao hielt ihren Widerwillen gegen sie mit erstaunlicher Selbstbeherrschung im Zaum; Log-Aer-M'in aber ließ sie mit Blicken und Gesten spüren, was sie von ihr hielt.
Für einen Augenblick fühlte sich die Friedensfahrerin unwohl. Ein Etwas war über ihren Körper geglitten und hatte sie durchleuchtet. Wahrscheinlich griffen zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen. Kein Wunder; befanden sie sich doch im Allerheiligsten jener Frau, die mehrere Millionen Kartanin und andere Wesen aus Hangay befehligte.
Sie glitten in Essliegen. Ein ältlich wirkender Kartanin kredenzte das Mahl.
Ejdu Melia gab sich alle Mühe, die typisch sepulchthidischen Verdauungsgeräusche zu unterdrücken. Das gesottene Kri'aul schmeckte nicht schlecht, war für ihre leidgeplagten Geschmackssinne vielleicht ein wenig zu bitter. Doch sie war sich sicher, dass sie die kartanische Küche mögen würde, sobald die Transgenese vollendet war.
Die beiden Frauen ließen allmählich alle Förmlichkeiten hinter sich. Sie näherten sich auf einer persönlichen Ebene an.
Dao-Lin-H'ay war sich nicht zu schade, erste Schritte zu tun. Sie erzählte von ihren schönsten Momenten und ihren Niederlagen, von ihren Besorgnissen und Ängsten, von Wunschträumen und Erwartungen. Für ein paar Minuten schien die Zeit stillzustehen. Die Bedrohungen rings um sie hatten keine Bedeutung mehr. Da saßen zwei Frauen beisammen, die sich vortrefflich unterhielten.
Die Magie hielt nicht lange vor. Ein Summton unterbrach das Zwiegespräch, dem Ejdu Melia fasziniert gefolgt war.
Log-Aer-M'in stand auf, tupfte Mund und Gesichtsbehaarung mit einem Reinigungstuch ab und setzte eine ernste, berufsmäßige Miene auf. Mit einigen wenigen Handbewegungen zauberte sie mehrere Hologramm-Darstellungen in den Raum.
»Wir sind angelangt«, sagte sie mit zitternder Stimme. »Vor uns siehst du die stolze Ultima-Flotte. Zehntausendachthundert Einheiten konnten sich hierher retten. Und jetzt sag mir, was ich tun soll, Erhabene. Ich habe bislang mehr als viertausend Schiffe verloren, ohne auch nur irgendetwas erreicht zu haben.«
*
Log-Aer-M'in fasste sich rasch wieder. Ejdu Melia fühlte, wie die Flottenkommandantin von neuer Kraft beseelt wurde. Sie konnte nicht umhin, die mentale Stärke der Kartanin zu bewundern.
»Wir verließen uns auf die verbesserten NKH-Waffensysteme und die Leistungskapazitäten der Pilotinnen«, sagte Log-Aer-M'in. »Aber die Anfangserfolge erwiesen sich als trügerisch. Mittlerweile weiß TRAITOR, dass wir uns in der Kernzone befinden. Die Traitanks lassen sich nicht mehr auf kleinere Scharmützel ein. Und sobald wir massierten gegnerischen Verbänden gegenüberstehen, sind unsere Verluste immens hoch.«
»Was wolltet ihr erreichen, Kommandantin?«, fragte Dao-Lin-H'ay.
»TRAITOR schwächen, wo es nur geht. Ein Zeichen setzen.
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