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2493 - Der Weltweise - Leo Lukas

2493 - Der Weltweise - Leo Lukas

Titel: 2493 - Der Weltweise - Leo Lukas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Lukas
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bespült.
    Sahmsivil hingegen erkletterte den staubtrockenen Schandpfahl des Delinquenten. Er bemühte sich erst gar nicht, einen guten Eindruck zu erwecken. Was sollte die Verschworenheit davon abhalten, ihn ohne Mitleid abzuurteilen?
    Seine Schuld war erwiesen. Er hatte versagt.
    Mit fünfzehn Schülern war er aufgebrochen - und keinen, nicht einen einzigen der gesamten Klasse, hatte er wieder heimgebracht; nicht mal traurige Überreste oder irgendwelche Indizien. Das Meer war wie leer geschwemmt gewesen, kein Pelzhärchen mehr zu sehen von seinen Schützlingen; übrigens auch nicht die geringste
    Spur der fremden, grausamen, in Luftblasen gehüllten Jäger.
    Sahmsivil schauderte. Er roch die Abneigung, die ihm von den Anwesenden entgegenschlug.
    Die ckornautische Rechtsprechung war sehr offen angelegt. Jeder, der Zeit und Interesse aufbrachte, konnte einen Platz im Gerichtssaal beanspruchen, somit Teil der Verschworenheit werden und seine Stimme einbringen.
    Gewöhnlich waren die Verhandlungen spärlich besucht. Die Sensationslust hielt sich in Grenzen; des Weiteren spielten bei den eigenbrötlerischen Ckornauten Familien- und Freundschaftsbande keine besondere Rolle.
    An diesem Tag allerdings hatten sich angesichts der Schwere des Deliktes insgesamt rund hundert Bekannte und Angehörige der verschollenen Schüler eingefunden. Viel Sympathie durfte Sahmsivil von ihnen wohl nicht erwarten.
    Einer der Rechtspfleger verlas die Anklage. Sie lautete auf grobe Vernachlässigung der Aufsichtspflicht mit Todesfolge in fünfzehn Fällen.
    »Im betreffenden Gebiet wurden auch nach halbtägiger Fahndung keinerlei Hinweise auf den Verbleib der dem Instruktor Sahmsivil anvertrauten Minderjährigen gefunden. Daher nehmen die beamteten Sachverständigen an, dass die schlafenden Schüler von einer Gezeitenströmung über die Peripherie des Archipels hinaus ins offene Niemandsmeer gerissen wurden, wo sie vor Entkräftung starben oder Raubtieren zum Opfer fielen. Dem Begleitlehrer wird vorgeworfen, die Tiden falsch eingeschätzt und seine Schützlinge mangelhaft mit Kelpschlingen gesichert zu haben.«
    Von den Rängen erklangen erbostes Gemurmel und einzelne Verwünschungen. Die Gerichtsvorsitzende rief zur Ordnung, dann sagte sie: »Der Beschuldigte möge nun sprechen, falls er etwas zu seiner Verteidigung vorzubringen hat, oder durch sein Schweigen die Korrektheit der Anklage bestätigen.«
    Sahmsivil hatte lange überlegt, ob er berichten sollte, was tatsächlich geschehen war. Es verstand sich von selbst, dass man ihn für verrückt halten würde.
    Andererseits war ohnehin alles egal. Da konnte er genauso gut die Wahrheit sagen, und sei es bloß um seiner selbst willen. Wenn er Glück hatte, hielt man seine Aussage im Protokoll fest, womit das schreckliche Ereignis wenigstens für die Nachwelt dokumentiert war.
    Also erzählte Sahmsivil. Von den riesigen schwarzen Vögeln, aus denen in durchsichtigen, manövrierfähigen Bal-lonen fremde Jäger mit Schlangenköpfen regneten. Von den furchtbaren Harpunen, die tödliche Blitze verschossen.
    Und davon, dass seine Schüler erlegt worden waren wie Tiere, erbarmungslos, gezielt, ohne jegliche Skrupel, als handle es sich um groß und giftig gewordene Saftquallen.
    Anfangs unterbrachen ihn zahlreiche Mitglieder der Verschworenheit mit Protestgeschrei. Aber je länger er das traumatische Erlebnis schilderte, desto stiller wurde es im Raum. Als Sahmsivil geendet hatte, erfüllte bleiernes Schweigen den Gerichtssaal, und die Ausdünstungen der Zuhörer signalisierten fassungsloses Entsetzen.
    »Genau so war es«, bekräftigte er schließlich verunsichert, nachdem viele Atemzüge lang niemand sonst das Wort ergriffen hatte.
    »Bitte glaubt mir - das Ganze erscheint mir rückblickend selbst wie ein böser Traum. Und doch hat es sich so zugetragen, darauf schwöre ich jeden Eid.«
    Keine Reaktion. Hörten sie ihm überhaupt zu?
    »Ich kann nichts dafür. Trotzdem nehme ich die volle Schuld auf mich, weil ich die Morde nicht verhindern konnte.«
    Endlich klärte die Vorsitzende fauchend ihre Kehle und sagte flach, mechanisch, fast tonlos: »Das Hohe Gericht der Ckornauten von Mhuirra wertet die Stellungnahme des suspendierten Instruktors Sahmsivil als Geständnis. Nunmehr obliegt es der Verschworenheit, das über ihn zu verhängende Strafausmaß zu präzisieren.«
    Äußerst zögerlich hub eine Diskussion an. Sahmsivil wusste nicht, wie ihm geschah. Weder die Rechtspfleger noch die hundert auf

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