2499 - Das Opfer
doch viel schwerer wog der Verlust der Aura, der ihn innerlich zerrüttet zurückließ. Nun, da sie fort war, spürte er erst, welch wichtigen Teil seines Selbst sie eingenommen hatte.
Von KOLTOROC war nur der raubtierhafte Insektenschwarm übrig geblieben, der sich ziellos über den Boden bewegte. Die unzähligen kleinen Wesen krochen übereinander, flossen zusammen und stoben wieder auseinander. Sie boten ein Bild des Chaos; nichts an ihnen erinnerte mehr an die Superintelligenz, von der sie bis vor wenigen Minuten Bestandteil gewesen waren.
Umringt wurden sie von KOLTOROCS String-Legaten. Die Spiegelwesen rührten sich nicht, schienen in einer Art Schockstarre gefangen, als wären sie ein Teil des Chaopressors und dessen Tod hätte ihnen ebenfalls die Lebenskraft genommen.
Die Bilder auf ihren Spiegelflächen zeigten noch immer das Solsystem, den Kristallschirm, VULTAPHER, den Chaotender, der mit ungebrochener Macht Energien in den Schirm pumpte, um ihn zum Zusammenbruch zu bringen.
Um den Traitanks zu ermöglichen, die Erde anzufliegen und zu vernichten, die Menschheit auszulöschen.
Rhodan fluchte leise, sah sich um. Den Chaopressor hatten sie geschlagen, letztlich durch die Zusammenarbeit zahlreicher Instanzen über Galaxien, Jahrmillionen und gar Universen hinweg.
Aber wie konnten sie die Menschheit retten? Welche Möglichkeit hatte er, VULTAPHER aufzuhalten? Sollte er so kurz vor dem Ziel scheitern?
*
Ein Funkgerät, dachte er, eine Einrichtung zur Fernsteuerung ...
Aber er glaubte selbst nicht daran. Eine Befehlsausgabe in eine andere Galaxis? Nicht auf diese Art und Weise, dafür war der Chaotender viel zu weit entfernt.
Nein, die einzige Direktverbindung stellten die String-Legaten dar, und denen konnte nur KOLTOROC befehlen.
Über sie hatte der Chaopressor die Verbindung mit VULTAPHER hergestellt.
Beschwörend starrte Rhodan die Spiegelbilder an, als könne er auf diese Weise den Chaotender und die Chaos-Geschwader davon abhalten, Terra zu Reines Wunschdenken, geboren aus der Verzweiflung.
»Allein KOLTOROC könnte sie mit einem Befehl aufhalten«, sagte er und erkannte kaum seine eigene Stimme, »und der ist tot ...«
»Aber das stimmt ja nicht ...«, widersprach Mondra. »Nicht ganz jedenfalls.«
Rhodan sah sie an ... und begriff. »Ja, natürlich«, murmelte er und sah zu den durcheinanderwimmelnden Insekten.
Ein Teil KOLTOROCS war nach wie vor am Leben.
Der Insektenschwarm des Kollogoms, der die Humanoiden-Komponente KOLTOROCS aufgefressen hatte!
Zögernd drehte er sich zu dem Schwarm um.
Mondra legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Du willst das wirklich wagen?«
»Haben wir eine andere Wahl?« Er gab sich Mühe, zuversichtlich zu klingen, doch in seinem Inneren sah es ganz anders aus. Ja, vielleicht war es eine Chance, aber eine verzweifelte, fast irrwitzige.
Dennoch würde er es versuchen. Er war nicht so weit gekommen, hatte nicht so viel riskiert, um die Erde untergehen zu lassen.
Genau diese Frage hatte er sich gestellt, in den leeren Stunden irgendwann zwischen Mitternacht und Morgengrauen. Würde er sein Leben opfern, um die Menschheit zu retten? Oder auch nur für die winzige Aussicht, sie vielleicht retten zu können?
Er drängte sich an den bewegungslos dastehenden String-Legaten vorbei, warf einen letzten Blick auf ihre Spiegelflächen und trat dann in die Mitte des Insektenschwarms.
*
Alles in ihm schrie danach, sich umzudrehen und davonzulaufen, doch er hatte sich in der Gewalt. Die Insekten bemerkten ihn sofort, strömten zu ihm. Die ersten krochen schon an seinem SERUN hoch.
Er wich ihnen nicht aus, spreizte die Beine und die Arme und bot sich dem verzweifelt suchenden Schwarm an. Aber als was würden die Wesen ihn sehen? Als Wirt? Verspürten sie den Drang, wieder eine Gemeinschaft einzugehen? Oder nur als Opfer? Würden sie ihn fressen wollen, wie sie KOLTOROCS humanoide Hälfte verschlungen hatten?
Nur für einige Augenblicke, dachte Rhodan, für ein paar Sekunden! Das würde ihm schon genügen. Er musste zu einem neuen KOLTOROC werden, zumindest lange genug, um über die String-Legaten einen einzigen Befehl in die Milchstraße übermitteln zu können!
Im nächsten Augenblick waren sie über ihm, bedeckten seinen gesamten SERUN, wimmelten über den transparenten Helm. Es wurde völlig dunkel um ihn. Er glaubte, ihr Gewicht zu spüren, das ihn niederdrückte. Natürlich nur eine Täuschung; der Schutzanzug verhinderte, dass er Schaden
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