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25 - Ardistan und Dschinnistan II

25 - Ardistan und Dschinnistan II

Titel: 25 - Ardistan und Dschinnistan II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nicht hoch, sondern so niedrig wie ganz gewöhnliche Stufen; das
heißt also, ungefähr sechzehn bis achtzehn Zentimeter. Es machte also
gar keine Mühe, hinaufzusteigen. Indem wir dieses taten, kam mir der
Gedanke, daß ich denn doch bis zum Anbruch des Tages hätte warten
sollen, also bis es hell geworden war; denn da hätte ich die Falltür
und die Treppe sehr wahrscheinlich viel leichter gefunden als jetzt.
Und wenn ich den Mir schon jetzt überraschte, hatte es den Anschein,
als ob ich seiner Unwissenheit gegenüber prahlen wolle. Dies aber war
wirklich, wirklich nicht der Fall. Ich tat es nur darum gleich jetzt,
um seine Stimmung zu benutzen, die gerade jetzt eine derartige war, daß
die Wirkung doppelt größer als später sein mußte.
    Ich nahm an, daß dieser Engel in seinem Innern ganz dieselbe
Einrichtung haben werde wie der andere, den ich bereits kannte. Es
zeigte sich zu meiner großen Befriedigung, daß ich mich auch da nicht
geirrt hatte. Als wir oben angekommen waren, suchte ich gar nicht erst
nach Spuren von Lücken, Rissen und Spalten, die jetzt, bei dem
spärlichen Mondschein, wohl auch nicht leicht zu entdecken gewesen
wären, sondern ich ging gleich und direkt zu der betreffenden Falte des
Gewandes hin und versuchte, ob diese Stelle beweglich sei oder nicht.
Das Ergebnis wollte sich nicht gleich einstellen. Die Achse weigerte
sich, nach so langer Zeit gleich wieder zu funktionieren. Aber als ich
einen kräftigen Druck anwendete, gehorchte sie doch. Der Teil des
Gewandes, auf den ich drückte, schob sich in das Innere der Figur
hinein, und dadurch wurde die Falltür, welche die Treppe verschloß,
emporgehoben.
    „Was ist das?“ fragte der Mir erstaunt. „Der Engel ist doch hohl!“
    „Wie du siehst!“ antwortete ich.
    „Ein Loch ist da! Kann man da hinab?“
    „Ja, man kann!“
    „Wohin?“
    „Zum Brunnen, den ich dir zeigen will.“
    „Zum Brunnen –? Zum Brunnen?“
    „Ja, allerdings zum Brunnen! Komm, steig mir nach! Du brauchst keine
Sorge zu haben. Taste dich nur! Legst du die Hände zur Rechten und zur
Linken fest an, so kannst du nicht fallen.“
    Die Hunde drängten, mit hinein und hinunter zu dürfen. Ich beruhigte
sie; sie mußten natürlich oben bleiben. In derselben Weise, wie ich es
soeben gesagt hatte, stieg ich dem Mir vorsichtig voran, dabei immer an
den Engel der Landenge Chatar denkend. Auch hier führten die Stufen von
rechts nach links. Sie waren fest und sehr gut erhalten. Ich prüfte
eine jede sehr gewissenhaft mit dem vorausgestreckten Fuß. Auch hier
waren es genau zwanzig und auch die Luft war genauso kühl und genauso
gar nicht feucht. Die Frage, ob es aber auch wirklich Wasser in diesem
Brunnen gebe, stellte ich mir gar nicht erst, denn hatte der andere
welches gehabt, so mußte dieser auch welches haben. Für mich verstand
es sich nämlich von selbst, daß beide ganz genau auf einer und
derselben leitenden Schicht erbaut worden waren.
    Als ich den Fußboden des oberen Stocks erreicht hatte, wandte ich
mich sofort nach rechts, um zu tasten, ob wir hier wohl in derselben
Weise und an derselben Stelle Licht finden würden wie dort. Richtig!
Ich fühlte einen großen, hohlen, steinernen Würfel, auf dem als Decke
eine dünne, leichte Steinplatte lag, die sich verschieben ließ. Ich
schob sie zur Seite, griff in die dadurch entstandene Öffnung
und – was hatte ich in der Hand? Eine lange Rolle aus starkem
Leder, die oben und unten zugebunden war, um ihren Inhalt vor
Feuchtigkeit zu schützen. Dieser Inhalt bestand aus einer sehr gut
erhaltenen, aus ungereinigtem Wachs hergestellten Kerze, deren Docht
ich sofort in Brand steckte. Der Mir befand sich noch auf der Mitte der
Treppe. Er, der asiatische, hohe Aristokrat, war solche Klettereien
nicht gewöhnt, zumal im Dunkel. Er kam also nur langsam vorwärts.
    „Licht, hast du auch Licht?“ fragte er. „Allah sei Dank! Ich komme gleich!“
    Ich zündete noch eine zweite an, die ich ihm, als er bei mir anlangte, hinreichte.
    „Ich auch eine? Eine solche – solche Kerze!“ Dabei betrachtete er sie erstaunt. „Wo hast du die denn her?“
    „Hier aus der steinernen Kiste. Da sind noch viele drin! Und noch
andere sehr brauchbare Dinge dazu! Alles extra für uns aufgehoben!“
    „Für uns?“
    „Ja, für uns! Für wen denn sonst? Es ist doch weiter niemand da!“
    „Was bist du für ein Mensch! Ein Tausendkünstler, ein Hexenmeister, ein Zauberer!“
    „Fällt mir nicht ein, ganz und gar nicht ein! Ich bin

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