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25 - Ardistan und Dschinnistan II

25 - Ardistan und Dschinnistan II

Titel: 25 - Ardistan und Dschinnistan II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nicht
ausstehen kannst, weil er ein Herz für jedes Leid, für jedes Unglück
hat, gekommen ist, ihr wohlzutun, sie zu retten und zu erlösen, da
braust du auf und behauptest, er habe dich beleidigt, und das dürfest
du dir nicht gefallen lassen! Wie klein bist du, o Mir, wie klein! Und
wie schädlich bist du, wie schädlich! Für die ganze Menschheit! Für
dein Volk! Und für dich selbst!“
    „Effendi, du wirst grob!“
    Er sage das mehr im Ton des Vorwurfs als des Zorns. Er fühlte sich
also doch nicht nur getroffen, sondern zugleich auch derart
niedergedrückt, daß er es nicht mehr fertigbrachte, sich in die Brust
zu werfen. Ich aber ließ mich nicht hierdurch rühren, sondern fuhr in
genau demselben Ton fort:
    „Und bedenke, was du wagst mit diesem deinem Stolz, der wenigstens
hier am ganz unrechten Platz ist! Du bist gefangen! Du sollst sterben,
sollst verschmachten! In diese Lage hat dich wieder nur dein großes
Selbstvertrauen gebracht! Du verließest dich auf deine Ortskenntnisse,
die sich nun als völlig unzureichend erweisen! Ein Mann wie du, ein
Herrscher, hat sich sehr zu hüten, zu solchem Unvermögen, sich selbst
zu helfen, herabzusteigen! Wenn man die Achtung verliert, kehrt sie nie
so schnell zurück, wie sie gegangen ist. Für Halef und mich bist du
jetzt nur ein hilfloses Kind, weiter nichts! Du befindest dich nicht
nur mitten im Reich des Todes, sondern zudem auch noch mitten unter
lebenden Feinden; denn daß deine jetzigen Genossen nicht deine Freunde,
sondern deine Feinde sind, das sagst du dir doch selbst!“
    „Ich? Es mir selbst sagen? Ihr, meine Feinde? Es ist mir gar nicht
eingefallen, mir das zu sagen! Ich halte euch ganz im Gegenteil für
meine Freunde, und zwar für echte, wahre, edle Freunde! Ihr werdet mich
nicht verlassen!“
    „Nein, das werden wir allerdings nicht! Aber bedenke, daß der
Dschirbani mit seinem Heer an der Grenze deines Landes steht, und wir,
Halef und ich, sind seine Kampfgenossen! Bedenke, daß der Prinz der
Tschoban nicht nur seines Volkes, sondern auch seines Bruders wegen,
den du zu dem gemacht hast, der er ist, sich nur zu deinen Feinden,
nicht aber zu deinen Freunden zählen darf! Und bedenke endlich, daß
auch die beiden Prinzen der Ussul gar keinen Grund haben, sich etwa für
dich aufzuopfern! Man weiß in ihrer Heimat sehr genau, daß du sie nur
als Geiseln betrachtest, sie einsperren läßt, sobald es dir beliebt,
und ihre Truppen bestrafst und verbannst, demütigest und erniedrigest,
so oft es dir gefällt, sie mögen es verdienen oder nicht. Diese beiden
ehrlichen, aufrichtigen Menschen sind erst kürzlich wieder in der
‚Stadt der Toten‘ eingekerkert gewesen. Warum? Was hatten sie
verbrochen?“
    „Ich gab sie doch wieder frei!“ warf er schnell ein.
    „Das ändert nur die Folgen, nicht aber die Tat selbst! Sie wußten,
daß ihr Leben an einem dünnen Haar, an einem einzigen Wort aus deinem
Mund hing. Nun bist du selbst hier! Gefangen, hilflos, dem Tod geweiht!
Wie groß und wie glühend denkst du dir wohl die Begeisterung mit der
sie nun bereit sein werden, sich für dich aufzuopfern? Glaubst du, daß
sie dich lieben, oder glaubst du, daß sie dich fürchten und hassen?“
    Er gab keine Antwort; er war still.
    „Du schweigst! Also mitten unter Feinden; es ist nicht wegzuleugnen!
Und da kehrst du den hohen Ton des Herrschers heraus, der nur zu winken
braucht, so verlieren wir alle die Köpfe! Und da fühlst du, der sich
nicht einmal selbst und noch viel weniger uns zu retten vermag, dich
durch das Wasser beleidigt, dem du und wir unsere Rettung allein zu
verdanken haben werden! Du wirst dem Mir von Dschinnistan dein und
unser Leben schuldig sein, und ich erwarte von dir, daß du wenigstens
in unserer Gegenwart mit der Achtung und Ruhe von ihm redest, die einem
jeden geziemt, der von ihm spricht! Jetzt komm; wir steigen weiter
hinab!“
    Er folgte mir, ohne auch jetzt ein Wort zu sagen. Ich hatte in
voller Absicht in dieser Weise zu ihm gesprochen, und ich hoffte, daß
die Örtlichkeit, in der wir uns befanden, den Eindruck meiner Worte
vertiefen werde. Ich machte ihn besonders auf die über den
Treppenöffnungen stehenden Worte aufmerksam, welche zusammen den Satz
‚Erbaut zum Sieg im Kampf für den Frieden‘ ergaben. Als wir unten
ankamen, standen wir vor einem förmlichen See des reinsten, trinkbaren
Wassers; so mächtig groß war das Gewölbe, in dem es sich sammelte. Er
schöpfte mit der Hand und kostete. Dann sagte er:
    „Bleib

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