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25 - Ardistan und Dschinnistan II

25 - Ardistan und Dschinnistan II

Titel: 25 - Ardistan und Dschinnistan II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Nasrani mit seinen gewaltigen Bibelworten. Da erklangen die Glocken. Da brauste die Orgel. Da krachten die Kanonen zum ersten Mal für einen hohen, friedlichen Zweck. Da wagte sich der Fürst von Halihm mit seiner Tochter in mein eigenes Haus, um mir die Güte und Barmherzigkeit des Mir von Dschinnistan verständlich zu machen. Ja, das war ein Wagnis, ein wirkliches Wagnis, dessen Wert ich ebenso anerkenne wie die Verwegenheit des Dschirbani, dich und Halef zu mir nach Ard, also in die Höhle des Löwen zu schicken. Jetzt will es mir erscheinen, als ob die Liebe und Güte noch viel, viel männlicher, kühner und heldenhafter sein könne als der Haß, der sich blind und unüberlegt in Taten stürzt, deren Ausgang er nicht kennt. Das ist kein Mut, sondern Leichtsinn und Gewissenlosigkeit! Und nach dem allen kam die Verschwörung, der Abfall meiner Offiziere und Beamten, die Undankbarkeit des ‚Panthers‘, dem ich von meinem Herzen mehr gegeben hatte, als ich selbst besaß. Das waren die Früchte von Ardistan, die Ergebnisse meiner eigenen Saat! Und dann der Ritt nach der ‚Stadt der Toten‘, wo ich verschmachten sollte, die wunderbare Rettung hier und die noch wunderbareren Offenbarungen aus der von uns verachteten, von den Völkern aber gesegneten alten Maha-Lama-Zeit! Die ich für meine Freunde hielt, sind meine Feinde geworden, und die ich für so gering und armselig hielt, daß ich nur mit Lächeln ihrer gedachte, sind nun meine einzigen Stützen, mit deren Hilfe ich mich erheben und wieder werden kann, was ich gewesen bin. Aber ich schwöre dir, Effendi, daß ich Gericht halten werde, daß ich mich rächen werde, daß ich –“
    „Halt! Nicht weiter!“ unterbrach ich ihn. „Was du sagtest und noch sagen wolltest, ist richtig. Dein Gedankengang war gut. Aber du hast plötzlich abgebrochen und bist zur Seite gewichen. Der Zorn hat dich gestört. Die Rache will dich um den guten Schluß betrügen, der deiner Rede vorgeschrieben war. Noch bist du nicht gerettet. Noch bist du nicht wieder Mir. Noch können tausend Umstände eintreten, die alle deine Hoffnungen vernichten und alle deine Vorsätze unausführbar machen. Und vor allen Dingen laß dir sagen, daß Gott sich wahrlich nicht deiner annimmt, damit du dich rächen könntest und rächen mögest. Ich bin weder dein Richter noch der Richter deiner jetzigen Feinde, sondern du selbst hast dich und deine ganze Dynastie gerichtet, als du vorhin sagtest, daß ihr alle nur Diener des Hasses, nicht aber der Liebe gewesen seit. Du hast bekannt, daß du nur die Früchte von Ardistan erntest, die Ergebnisse deiner eigenen Saat. Wie kannst du dich für etwas rächen wollen, was du nach deinem eigenen Eingeständnisse doch nur selbst verschuldet hast? Noch klingt mir das eine deiner Bibelworte in den Ohren, die du uns nach der Höhe des Tempels schicktest. Es war das Wort: ‚Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem starken, lebendigen Gott. Wann werde ich hinkommen und erscheinen vor Gottes Angesicht?‘ Hat dir der Basch Nasrani den Sinn dieser Zeilen nicht auch erklärt? Glaubst du, als Richter und Rächer vor Gott erscheinen zu dürfen, wenn du selbst dich als den wirklich Schuldigen bezeichnest? Und selbst wenn du unschuldig wärest, so würde –“
    „Verzeih, verzeih!“ fiel er mir in die Rede. „Du hast recht; der Zorn hat mich gestört. Das Geheimnis, welches ich dir anvertrauen will, ist ein Geständnis, und wer Geständnisse zu machen hat, der soll nicht anderen zürnen. Nur bitte ich dich, ja nicht etwa zu denken, daß ich dir böse Taten zu gestehen habe, Verbrechen, die von mir oder meinen Ahnen begangen worden sind. Es handelt sich vielmehr nur um eine anererbte Art von Krankheit, die aber auch wieder keine Krankheit, sondern etwas ganz anderes, völlig Unbegreifliches ist. Glaubst du, daß sich Träume forterben können?“
    „Träume? Forterben?“ fragte ich. „Hm! Ich kann wohl sagen, daß sich gewisse körperliche oder geistige Zustände forterben, die bei der Entstehung von Träumen mit wirksam sind. In diesem allgemeinen Sinne läßt sich vielleicht behaupten, daß sich Träume forterben können; du aber wirst wohl eine besondere Art von Träumen meinen?“
    „Nicht nur eine ganz besondere Art, sondern einen ganz besondern Traum, immer einen und denselben! Der Vater träumt einen ganz bestimmten Traum, den schon der Großvater und der Ahne träumte, und der Sohn und der Enkel träumen ihn wieder, vor vielen Jahren und nach vielen Jahren,

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