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25 - Ardistan und Dschinnistan II

25 - Ardistan und Dschinnistan II

Titel: 25 - Ardistan und Dschinnistan II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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die hierüber noch zu erheben ist, ist zugleich auch die wichtigste, nämlich die Frage, wie du dich verhalten wirst.“
    „Meinst du, daß ich das weiß?“
    „Ja.“
    „Das bezweifle ich. Kein Mensch kann wissen, was er im Traum tun und sprechen wird.“
    „In einem gewöhnlichen Traum, ja. In diesem aber ist es anders. Du wirst ganz genauso handeln, wie du im wachen Zustand handeln würdest. Und wenn du dich nun in dieser wunderbaren Dschema befändest, nicht schlafend und träumend, sondern bei voller Besinnung, Überlegung und Willenskraft, was würdest du da antworten, wenn man dich fragte, ob du die Sünden deiner Vorfahren auf dich nehmen willst, um sie zu sühnen?“
    Da sprang er von der Stelle, wo er saß, auf und sagte schnell und in energischem Ton:
    „Ich würde ja sagen. Ich würde sofort bereit sein, auf alles, was –“ Da aber hielt er mitten im Satz inne. Er hatte sich von seinem Herzen hinreißen lassen; sofort aber griff das, was wir den Verstand zu nennen pflegen, zu und riß den goldenen Faden, der sich entspinnen wollte, entzwei. Der Mir machte eine langsame, widerstrebende Armbewegung und fuhr fort:
    „Halt! Nicht so schnell, nicht voreilig! Diese Sache ist von ungeheurer Wichtigkeit. Keiner meiner Ahnen hat bisher den Mut gehabt, diese Berge von Schuld, die im Verlauf von Jahrtausenden emporgewachsen sind, auf sich zu laden. Wenn es kein zukünftiges Leben gäbe, welches auf das gegenwärtige folgt, könnte ich getrost ja sagen, denn es wäre ein bloßer Wortschall, der nichts, gar nichts zu bedeuten hat. Ich habe an diesem kommenden Leben gezweifelt, bin aber vollständig überzeugt, daß dieser Zweifel Torheit war. Dieses andere Leben wird kommen, unbedingt kommen, sofort nach dem Tod. Ja, es kommt vielleicht gar nicht erst nach dem Tod, sondern schon im jetzigen Dasein. Denn ich mag zu der Frage der Dschema ja oder nein sagen, ich lege damit doch den Grund zu dem, was nach dem Tod mit mir geschieht und was ich im nächsten Leben zu bereuen, zu tragen, zu tun und zu erringen habe. Da habe ich vorsichtig zu sein, unendlich vorsichtig. Wenn ich ja sage und alles auf mich nehme, kann ich mich mit einer ewigen, niemals endenden Verdammnis belasten –“
    „Nicht auch mit einer ewigen, niemals endenden Seligkeit?“ fragte ich.
    „Vielleicht auch! Wer kann es wissen!“
    „Ich weiß es, ich!“
    „Ja, du! Du bist Christ!“
    „Du etwa nicht?“
    „Nein!“
    Da stand auch ich auf, legte ihm die Hand auf den Arm und fragte ihn:
    „Was hast du vorhin getan, als du die Bibelstellen zu uns heraufriefst? Wer und was bist du gewesen, indem du dies tatest? Du bist der Herrscher von Ardistan. Der Boden, auf dem dieser Tempel steht, gehört dir. Hast du etwa geglaubt, daß die vier Worte, welche du zur Hölle sandtest, Lügen seien?“
    „O nein! Sie sind wahr!“
    „So hast du dich zum Christentum bekannt und diesem Heidentempel die Bestimmung gegeben, eine christliche Kirche zu sein. Es bedarf nur noch des priesterlichen Segens, so ist diese Umwandlung geschehen, bestätigt und geheiligt!“
    „Ist das wahr?“ fragte er.
    „Würde ich es sagen, wenn ich es nicht für wahr hielte? Ich bin nicht Theologe und auch nicht Priester, sondern Laie. Es ist also möglich, daß ich mich irre. Ich wünsche lebhaft, dich als Christ und als den Beherrscher eines christlichen Volkes zu sehen; so mag es also wohl sein, daß dieser mein Herzenswunsch der Vater der Behauptung war, die ich aussprach. Aber ich glaube doch, ich habe recht. Erkundige dich bei anderen, die keine Laien sind, und laß mich dann erfahren, was sie sagen!“
    „Das werde ich tun; ja, das werde ich tun! Einstweilen darf ich dir wohl anvertrauen, daß mein Weib mich schon gebeten hat, Christin werden zu dürfen, und daß es in meiner Hauptstadt Ard vier christliche Missionare und Missionarinnen gibt, deren Lehren, Predigten und Wünschen ich vielleicht nicht mehr lange widerstehen kann.“
    „Wer sind diese vier?“ fragte ich.
    „Meine Kinder!“ antwortete er im Ton des Glücks und des Vaterstolzes. „Die sind von euern Weihnachtsbäumen noch heut begeistert und werden es immer bleiben. Was mich betrifft, so mag für jetzt genügen, daß ich nicht mehr ein Feind, sondern ein Freund des Christentums bin und daß ich auf das, was ich in dieser Angelegenheit aus deinem Mund höre, größeren Wert lege als auf meine eigenen Gedanken. Ich bitte dich, mir aufrichtig zu sagen, was du beschließen und antworten würdest, wenn

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