25 - Ardistan und Dschinnistan II
mit deinem vermeintlichen Kampf zwischen dir und Gott. Denke hierüber nach. Das sind Tiefen, aus denen du noch Tausende von Gedanken schürfen kannst, wie man Metalle aus der Erde fördert. Nun gute Nacht!“
Wieder antwortete er nicht, und ich war fast am Einschlafen, als ich ihn sagen hörte:
„Effendi, vielleicht war es doch nicht grob von dir, sondern nur aufrichtig, vielleicht gar sehr gut gemeint!“
Nun war ich es, der nicht antwortete. Da klang es halblaut zu mir herüber:
„Nun schläft er schon! Gute Nacht, du böse, rauhe, liebe Offenherzigkeit!“
Dann blieb es still, und ich schlief wirklich ein. Als ich aufwachte, lag er ruhig atmend neben mir und lächelte im Schlaf. Es war nicht mehr früh am Morgen. Die Gefährten hatten schon längst Toilette gemacht und saßen jetzt beim Frühstück. Ich beeilte mich, das Versäumte einzuholen, und der Mir folge, als der Lärm ihn später weckte, diesem Beispiel nach.
Unser Plan für den heutigen Tag war ein ebenso umfassender, wie interessanter. Er sollte aber noch viel, viel interessanter werden, als wir gedacht und uns vorgenommen hatten. Es war beschlossen worden, zunächst durch den Kanal, durch den wir hierhergekommen waren, nach dem Anfangspunkt desselben zurückzukehren und die Versenkung zu untersuchen, mit deren Hilfe wir so unerwartet aus der Ober- in die Unterwelt befördert worden waren. Sodann sollte genau nachgeforscht werden, ob der Verschluß dieses Kanals nach dem Fluß hin vielleicht zu öffnen sei. Ich vermutete, daß die große Rotunde des einstigen Maha-Lama-Sees auch mit der Zitadelle in irgendeiner geheimgehaltenen, örtlichen Verbindung stehe; aber uns hierüber aufzuklären, war später auch noch Zeit. Vor allen Dingen mußte es unsere Aufgabe sein, die Stadt zu durchforschen, ob und welche Menschen da lebten und in welcher Beziehung sie zu den Empörern überhaupt und zu unserer Gefangenhaltung insbesondere standen. Daß bei dieser Rekognoszierung die größte Vorsicht anzuwenden war, verstand sich ganz von selbst. Zu Pferd durfte das nicht geschehen, weil dies zu auffällig war und ein Fußgänger überall durchschlüpfen kann, während sich einem Reiter hundert Hindernisse in den Weg stellen können, die unüberwindlich sind. Wir mußten uns einzeln in die Stadt verteilen, so daß jeder einen bestimmten Bezirk zu durchforschen hatte, doch konnte hierüber erst dann Beschluß gefaßt werden, wenn wir uns über den Kanal und über unser liebes ‚Gefängnis Nummer fünf‘ genau unterrichtet hatten. Hieran machten wir uns sofort, nachdem die Zeit des Frühstücks vorüber war. Die beiden Prinzen der Ussul hatten es übernommen, hier bei den Pferden zu bleiben; die andern hatten alle gewünscht, sich an der Nachforschung beteiligen zu dürfen. So öffneten wir also die Tür, welche in den alten Kanal führte. Sie war die erste gewesen, die wir entdeckt und glücklich überwunden hatten. In dem rundum mit Sitzen versehenen Raum, der hinter ihr lag, brannten wir die Lämpchen an, die uns schon bei unserem Kommen den Weg gezeigt hatten, und ließen uns von ihnen zurück nach der Stelle führen, welche unter dem doppelten Tor des Gefängnisses lag. Wir hatten allerdings auch hier schon nachgeforscht, doch vergeblich, weil wir die Eigenheiten, denen man hier überall begegnete, noch nicht kannten. Jetzt aber befanden wir uns im Besitz von günstigen Erfahrungen, und so hoffte ich, daß unsere heutigen Bemühungen nicht wieder so ergebnislos verlaufen würden.
Ich hatte mich nicht getäuscht. Zwar schien es anfangs, als ob wir wieder nichts finden sollten; aber schließlich fiel mir an der Stelle, wo wir aus der Versenkung gestiegen waren, doch der Umstand auf, daß der Boden des Versenkungsschachtes durchweg aus Stein, in einer Ecke aber aus Erde bestand, die nicht hart und fest, sondern so aufgelockert war, als ob man sich erst vor ganz kurzem damit beschäftigt habe. Ich griff hinein, noch tiefer, noch tiefer und zog endlich – einen Schlüssel hervor, dessen Gestalt genau diejenige der bisher gefundenen war. Nun wir ihn hatten und also wußten, von welcher Art und Weise hier dieses Geheimnis war, machte sich das übrige ganz von selbst. Es war uns bekannt, in welcher Höhe die Schlüssellöcher angebracht waren, darum dauerte es nur kurze Zeit, so hatten wir das, um welches es sich hier handelte, gefunden. Als wir öffneten, gelangten wir in den schmalen, aber sehr tiefen Raum, welcher die Vorrichtung enthielt, mit deren Hilfe
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