25 - Ardistan und Dschinnistan II
kann mich auf die Güte und Barmherzigkeit verlassen; diese beiden sind schon unterwegs zu mir! Gute Nacht!“
„Gute Nacht!“
Wieder drehte er sich auf die andere Seite, und wieder tat ich das nicht. Und wieder machte er nach einigen Minuten die betreffende Wendung zurück und fragte:
„Schläfst du aber jetzt schon, Effendi?“
„Noch nicht ganz, aber schon drei Viertel“, antwortete ich.
„Verzeih, daß ich dich nochmals störe! Ich habe dir etwas außerordentlich Wichtiges zu sagen.“
„Ist es etwas Gutes?“
„Sogar etwas sehr Gutes! Kannst du dich an den großen, herzlichen Wunsch erinnern, den ich hatte, als du heut am Spätnachmittag noch einmal von mir zurückgerufen wurdest?“
„Ja; ich besinne mich.“
„Nun, welcher Wunsch war es?“
„Der Wunsch, beten zu können.“
„Ja, der, der war es! Und denke dir, Effendi, ich habe gebetet!“
„Darf ich das glauben?“
„Ja, glaube es! Gern gebe ich zu, daß es fast unglaublich ist, aber es ist dennoch geschehen, dennoch! Kannst du dir denken, was das heißt, der Mir von Ardistan hat gebetet? Weißt du, was das für einen Gottessieg bedeutet?“
„Einen Gottessieg? Wie meinst du das?“
„Einen Sieg Gottes.“
„Über wen?“
„Über wen, fragst du? Natürlich über mich und meinen Unglauben!“
„Armer, armer Teufel!“ antwortete ich in meinem mitleidigsten Tone.
„Wen meinst du mit diesem armen, armen Teufel?“
„Dich natürlich, dich!“
„Warum?“
„Weil du einer bist, und zwar einer der aller-, allerärmsten, die es gibt!“
„Ich verstehe dich nicht! Ich fühle mich so reich, so überreich. Ich habe dir das aufrichtig gesagt. Und anstatt mich reich und glücklich zu preisen, nennst du mich einen armen, armen Teufel! Warum?“
„Weil dich dein Glück nicht demütig sondern hochmütig macht.“
Da richtete er sich in sitzender Stellung auf, bog sich zu mir herüber und fragte:
„Hochmütig? Wieso? Ich wüßte nichts davon!“
„Wirklich nichts? Hast du dich nicht soeben Gott gleichgestellt?“
„Gott gleichgestellt? Ich? Mich? Bist du bei Sinnen, Effendi?“
„Bei sehr guten Sinnen! Hast du nicht soeben behauptet, Gott habe dich besiegt?“
„Ja. Das tat ich allerdings.“
„Jeder Sieg setzt aber einen Kampf voraus!“
„Allerdings. Oder ist es vielleicht nicht wahr, daß ich gegen Gott gekämpft habe, daß ich von Gott nichts wissen wollte?“
„Armer, armer Teufel! Und da nimmst du an, daß Gott gezwungen gewesen sei, mit dir zu kämpfen? Die Wolke, die sich auflösen muß, prahlt, sich mit der Sonne gemessen zu haben! Ein Stück Holz, welches zu Asche verbrennt, rühmt sich knisternd, es ringe mit dem Feuer auf Leben und Tod! Der sterbende Kranke ruft protzig aus, der Tod könne sehr stolz darauf sein, so einen Mann wie ihn besiegen zu dürfen! Soll ich dir noch mehrere Beispiele, mehrere Vergleiche bringen? Welcher Grund liegt für dich vor, so stolz darauf zu sein, daß du endlich, endlich einmal gebetet hast? Und aber noch eins, und dieses eine bedenke gar wohl: Selbst wenn du die Sünden der ganzen, ganzen Welt auf dich nähmst, so läge doch keine Veranlassung vor, dich dessen auch nur im allergeringsten zu rühmen. Solcher Erlöserstolz ist Wahnsinn, weiter nichts! Sünden zu tun und Sünden zu vertreten, bringt keine Ehre. Und je mehr du Sünden auf dich nimmst, um so weniger darfst du erwarten, daß man dich dafür ehre! Wenn du wieder betest, so bitte Gott um Bescheidenheit! Diesen Rat gibt dir der aufrichtigste Freund, den du auf Erden hast. Gott kämpft mit keinem Geschöpf, und sei es der allerhöchste seiner Engel. Wie jemand, wenn ein Wurm sich krümmt, behaupten kann, Gott liege im Kampf mit ihm, das ist mir unfaßbar! Gute Nacht!“
Er antwortete nicht. Er legte sich wieder nieder. Er rückte hin, und er rückte her. Erst nach langer Zeit klagte er:
„Es ist ein Elend mir dir, Effendi, ein Elend! Man hat dich lieb, aber du bist so grob, so ungeheuer grob! Und gerade, wenn man sich einmal wohl fühlt, bekommt man einen Hieb von dir, sei er groß oder sei er klein!“
„Ja, das ist richtig: Gerade wenn man sich am wohlsten fühlt, stürzt man am leichtesten vom Pferd! Und du warst auf ein sehr großes und sehr hohes Pferd gestiegen. Man kämpft doch nur mit seinesgleichen. Wer gegen die Natur lebt, darf nicht glauben, daß die Natur gegen ihn kämpfe, sondern er selbst kämpft gegen sich selbst, und dafür wird die Natur ihn richten und strafen. Genauso ist es auch
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