Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
25 - Ardistan und Dschinnistan II

25 - Ardistan und Dschinnistan II

Titel: 25 - Ardistan und Dschinnistan II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
nur willst! Du sollst nicht nur innere, sondern auch äußere Antwort hören. Lösche alle Lichter aus!“
    Er gehorchte sofort, verwendete dabei aber keinen Blick von ihr. Es war ihm anzusehen, daß er sie wohl für ein überirdisches Wesen hielt. Als das letzte Licht verloschen und nun nirgends mehr etwas zu erkennen war, erklang es in demselben tiefen, klaren Ton durch die Finsternis:
    „Was du dir vorgenommen hast, ist nicht vermessen. Du darfst die ganze Last auf deine Schultern nehmen, weil deine Kraft die Summe aller ihrer Kräfte ist. Verlaß dich auf die Güte und Barmherzigkeit; diese beiden sind schon unterwegs zu dir!“
    Hierauf war es still. Nichts schien sich zu bewegen. Auch ich rührte kein Glied. Dann gab es in meiner Nähe ein leises Rauschen, wie wenn der Saum eines weichen Kleides leicht über den Boden streift. Ein kaum bemerkbarer Luftzug glitt an mir vorbei. Ein feiner, süßer Duft blieb zurück, ähnlich dem Duft der Kätzchenblüten zur Osterzeit, wenn sie an Altären die Palmenweihe erhalten. Das war sie gewesen, die Geheimnisvolle. Sie war an mir vorübergegangen, viel näher als vorhin, wo der Duft, der mich jetzt gestreift hatte, mich nicht erreichen konnte. Sie hatte die Lichter in wohlbedachter Absicht verlöschen lassen. Nun, da es so dunkel war, vermochte kein Auge ihr zu folgen. Und mir war es eigentlich auch ganz recht, daß ich sie so unbeobachtet verschwinden lassen mußte. Die Aufklärung hätte mir doch gewiß einen großen Teil der Poesie zerstört, welche der Vorgang für mich haben mußte und auch wirklich hatte. Indem ich mit mir darüber zu Rate ging, wie ich mich nun zu dem Mir zu verhalten hatte, kam ich zu dem Entschluß, ruhig abzuwarten, welche Mitteilungen er mir machen und welche Meinungen ich von ihm zu hören bekommen werde. Ich schlich mich also so leise wie möglich nach meinem Lager zurück und legte mich nieder. Nach einiger Zeit hörte ich seine Schritte. Er kam und tastete nach mir. Ich bewegte mich nicht sofort. Mochte er immerhin denken, daß ich schlafe! Er rüttelte mich. Da tat ich, als ob ich erwache.
    „Du schläfst sehr fest“, sagte er. „Bist du gleich eingeschlafen oder erst spät?“
    „Sogleich“, antwortete ich.
    Das war ja auch wahr. Daß ich wieder aufgewacht war, verschwieg ich.
    „Steh auf und komm!“ forderte er mich auf.
    „Bist du schon fertig?“
    „Ja.“
    „Ganz fertig? Mit allen Büchern?“
    „Ganz! Mit allen Büchern! Was ich erfahren wollte, das weiß ich nun.“
    „Und hast schon sämtliche Lichter ausgelöscht!“
    „Weil wir gehen. Wir schlagen unser Lager draußen wieder auf. Da ahnt dann niemand, wenn es Morgen wird, daß wir fort gewesen sind. Komm!“
    So stand ich also auf, nahm meine Decke, wie er die seinige, und folgte ihm. Wir ließen den Türstein in die Öffnung rollen und begaben uns nach der Stelle, wo wir nach dem Abendessen gelegen hatten. Bis wir sie erreichten, sagte er kein weiteres Wort, doch als wir uns ganz nahe beieinander niedergelegt hatten, fragte er mich:
    „Effendi, glaubst du an Geister?“
    „Ja“, antwortete ich. „Gott ist ein Geist.“
    „Das meine ich nicht. Glaubst du an Gespenster?“
    „Nein.“
    „An Heilige?“
    „Ja.“
    „An Selige?“
    „Ja.“
    „So höre: Ich habe eine Selige gesehen!“
    „Wirklich?“
    „Ja, wirklich!“
    „Du irrst!“
    „Ich irre nicht. Ich habe sie nicht nur gesehen, sondern sie hat sogar mit mir gesprochen!“
    „Und dennoch mußt du dich irren. Hat sie dir gesagt, daß sie eine Selige sei?“
    „Nein; aber sie ist eine: ich weiß es genau. Sie kann nichts anderes sein!“
    „Willst du mir nicht erzählen –?“
    „Jetzt nicht. Ich bin so voll, so reich! So übervoll und überreich! Das muß ich alles ordnen, ehe ich davon sprechen kann. Gute Nacht!“
    „Gute Nacht!“
    Er drehte sich auf die andere Seite, ich aber nicht. Die Erfahrung sagte mir, daß er wohl noch nicht ganz zu Ende sei. Und richtig, nach einigen Minuten wandte er sich mir wieder zu und erkundigte sich:
    „Schläfst du schon, Effendi?“
    „Noch nicht“, antwortete ich.
    „Bist du überzeugt, daß zur nächsten Mitternacht die ‚Dschema der Lebenden‘ wirklich stattfinden wird?“
    „Vollständig überzeugt!“
    „Ich auch. Ich weiß sogar, daß Abd el Fadl und Merhameh ganz sicher kommen werden!“
    „Woher könntest du das wissen?“
    „Ich weiß es! Das mag dir genug sein! Vielleicht erzähle ich dir später einmal, wer es mir gesagt hat. Ich

Weitere Kostenlose Bücher