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25 - Ardistan und Dschinnistan II

25 - Ardistan und Dschinnistan II

Titel: 25 - Ardistan und Dschinnistan II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Süd vor unseren Augen, und ich sah eine Menge Reiter, die am Ufer aufwärts kommen.“
    Nach diesen Worten blieb er wieder zurück, das weitere nun dem Herrscher und mir überlassend. Das war kurz und bescheiden. Der Mann imponierte mir.
    „Das ist das Heer des Dschirbani“, meinte der Mir. „Sage es ihm! Wir wollten ja rekognoszieren. Reitet ihr diesen Leuten entgegen! Ich bringe die Meinigen inzwischen durch die Stadt und durch das hintere Tor nach dem Maha-Lama-Palast. Bitte, gibt mir den Schlüssel! Den Ussul und Tschoban aber sagt, daß sie in der Zitadelle wohnen werden. Wasser, Proviant und alles, was sie brauchen, wird ihnen durch die Türen, die wir heut entdeckten, zugetragen. Den Schlüssel brauchst du, wenn ihr zurückgekehrt, nicht; ich lasse offen!“
    Es geschah, wie er wünschte. Er ritt mit seiner Familie und allen ihren Begleitern der Brücke zu. Wir aber blieben auf dieser Seite des Flusses, also am linken Ufer, und folgten diesem Ufer, solange wir uns noch in der Stadt befanden, im Schritt; als wir aber hinaus ins Freie kamen, fielen wir erst in Trab und dann in Galopp, um die, denen wir entgegenritten, so bald wie möglich zu erreichen.

SECHSTES KAPITEL
    Gegenzüge
    Am Abend dieses Tages ging es am Maha-Lama-See ganz anders her, als in der früher und auch noch jüngst verflossenen Zeit. Der Herr von Ardistan hatte seine Residenz in der ‚Stadt der Toten‘ aufgeschlagen, und diese Stadt sah nun ganz plötzlich so lebendig aus, als ob der Tod für immer aus ihrem Bereich verschwunden sei. Die Herrscherin war mit ihren Kindern in einer Weise untergebracht, die ihrem Rang entsprach. Der Mir und wir andern ebenso. Denn wir sahen uns infolge der Anwesenheit der Truppen verpflichtet, auf die bescheidenen Ansprüche von Flüchtlingen zu verzichten, und auch äußerlich zu zeigen, daß wir innerlich vollständig ungebrochen waren und kein Recht, welches wir irgendwo und irgendwie besaßen, aufgegeben hatten.
    Die höheren Ussul und Tschoban wohnten bei uns am See; folglich waren da auch ihre Pferde untergebracht. Alles, was in europäischen Verhältnissen als Hauptquartier, Generalstab, Verproviantierungsamt und mit ähnlichen Ausdrücken zu bezeichnen gewesen wäre, hatte hierher verlegt werden müssen. Das gab nun ein lautes Fragen und Antworten, Kommen und Gehen, welches keinen Augenblick zur Ruhe kam. Die Vorratskammern standen geöffnet, und während die Anhänger des ‚Panthers‘ überzeugt waren, daß wir alle dem Tod des Verhungerns und Verschmachtens geweiht seien, gab es bei uns Nahrung in Hülle und Fülle und so viel Wasser, wie wir nur immer brauchten.
    Die Truppen waren in der Zitadelle und, da diese nicht ausreichte, in der obern Militärstadt untergebracht. Die Pferde all dieser Leute wurden am Fluß getränkt, dessen Wasser zu unserer Freude nicht etwa fiel, sondern immer höher und höher stieg. Nach Ard und der Wüste hin waren Posten gestellt, welche sich nicht sehen lassen durften und jede etwaige Annäherung zu melden hatten. Diese Posten wurden regelmäßig abgelöst. Wie das so schnell hatte kommen können und wie so ohne alle Aufregung es angeordnet und ausgeführt worden war, darüber schien sich niemand eine Frage vorzulegen; für den aber, der offene Augen hatte, konnte kein Zweifel darüber abwalten, daß der bescheidene, stille, zurückhaltende Schech El Beled von El Hadd es war, welcher dafür sorgte, daß, um mich eines gewöhnlichen Ausdruckes zu bedienen, die anfängliche Unordnung sehr bald überwunden war und dann alles schnappte und klappte. Das merkte ich selbstverständlich nicht gleich am ersten Abend, sondern später. Als ich dann aber erst einmal entdeckt hatte, wie still ordnend er alle äußeren Dinge überwachte, verfolgte ich seinen Einfluß auch tiefer und kam auch da sehr bald zu der Überzeugung, daß er uns an Intelligenz gewiß alle weit überragte und an den Geschehnissen sehr wahrscheinlich größeren Anteil hatte, als er uns merken ließ.
    Es hatte einen sehr tiefen Eindruck auf den Mir gemacht, daß alle durch die weißbeschriebenen schwarzen Zettel bestimmten Beisitzer der ‚Dschema der Lebenden‘ eingetroffen waren, obgleich man das nur schwer für möglich hatte halten können. Er hatte sie zusammenberufen und ihnen mitgeteilt, um was es sich handelte. Sie waren dann mit uns in die beiden Dschema-Säle gegangen, um die Situation kennenzulernen. Ihr Verhalten und ihre ganze nachherige Stimmung waren dieser Situation entsprechend, ernst,

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