25 - Ardistan und Dschinnistan II
den ich nicht kannte und der sofort wieder verschwand; aber ich kenne die Schrift und das geheime Zeichen des letzten Wortes. Was ich getan habe, habe ich infolge dieser Zeilen getan, aus keinem andern Grund. Die Folge wird zeigen, daß ich es verantworten kann.“
Er faltete das Papier auseinander und reichte es mir. Ich las:
„Ich grüße Dich zum ersten Mal mit dieser meiner eigenen Hand und Schrift. Der ‚Panther‘ wird Dich überlisten wollen, nach der ‚Stadt der Toten‘ zu gehen; laß Dich nach dort entführen! Der ‚Panther‘ wird dann, wenn Du fort bist, dein Heer nach der ‚Stadt der Toten‘ drängen lassen wollen. Gib deinem Irahd Befehl, sich drängen zu lassen, doch nicht durch die Wüste, sondern den Fluß hinauf. Er wird Wasser finden, den Feind aber fern davon und in Durst zu halten wissen. Dein – Vater.“
Ich legte das Papier wieder zusammen, gab es ihm zurück und richtete das, was ich sagte, nicht nur an den Mir, sondern auch an alle andern:
„Ich erkläre hiermit, daß unser Freund, der Dschirbani, nicht unvorsichtig, sondern klug sehr klug gehandelt hat. Es steht uns, wie ich da sehe, höchst Wichtiges bevor. Es ist sehr wahrscheinlich, daß die Ussul und Tschoban noch heut kommen. Ich schlage vor, ihnen wenn auch nicht entgegenzureiten, so doch wenigstens den Fluß entlang zu rekognoszieren, und zwar sogleich.“
„Du meinst, daß wir unsere Pferde holen?“ fragte der Mir.
„Ja.“
„So müssen wir wieder hinunter zum Fluß und durch den Kanal zurück.“
„Nein.“
„Wohin sonst?“
„Einen viel kürzeren und viel bequemeren Weg den du uns führen wirst.“
„Ich? Ich weiß keinen!“
„Keinen? Und doch sagtest du vorhin, daß du hier jeden Winkel kennst!“
„Hier? Von hier aus gibt es einen Weg?“
„Ja. Sogar von diesem Zimmer aus.“
„Du sprichst in Rätseln!“
„Ich werde dieses Rätsel sofort lösen, obgleich ich zum ersten Mal im Leben an diesem Ort bin. Kommt!“
Indem ich auf den erwähnten Stein zuging, folgten mir die andern. Gleich die erste Berührung der Sonne zeigte mir, daß sie auch von Metall war und bewegt werden konnte. Ich drehte sie von links nach rechts. Man hörte im Innern der Mauer ein leises, kurzes Schnappen; dann wich der Quader zurück, und die Türöffnung wurde frei. Der Raum, der nun vor uns lag, war fensterlos und also dunkel. Jetzt aber fiel das Licht von außen hinein, und da sahen wir, daß er schmal und auch nicht tief war. Er bildete einen sehr kurzen Gang oder Korridor, an dessen Ende sich wieder eine Steintüre befand, in welcher, wie wir zu unserer Befriedigung bemerkten, der Schlüssel steckte. Ich drehte ihn herum. Auch dieser Stein wich zurück, aber nach der Seite, auf der wir uns befanden, so daß wir also schnell zurückspringen mußten, um nicht umgestoßen zu werden. Als die Passage frei war und wir vorwärts gingen, kamen wir in einen durch schmale, schießschartenähnliche Fenster erleuchteten Raum, den wir an seiner ganz besonderen Einrichtung und Ausstattung sofort erkannten, weil wir ihn schon alle gesehen hatten. Es war nämlich der große Krankensaal im Maha-Lama-Gebäude. Wir brauchten also nur durch dessen vordere Türe, die wir ja kannten, hinauszugehen, so befanden wir uns auf unserer Säulenrotunde und hatten dann nur wenige Schritte zu tun, um zu unsern Pferden zu kommen.
Das war die Episode, die ich erzählen wollte. Halef machte sofort Miene, sie zu einer langen, begeisterten Rede über seine und meine große Klugheit und Findigkeit auszubeuten, ich winkte ihm aber ab, ließ die Gefährten vorantreten und schloß hinter uns dann beide Türen, ebenso auch nachher, als wir auf den Säulengang hinaustraten, die Außentüre des Krankensaales.
Die beiden Prinzen der Ussul wunderten sich nicht wenig, uns von dieser Seite kommen zu sehen, nicht aber von der andern, nach der wir hinausgegangen waren. Sie wurden von allem, was wir gesehen und erfahren hatten, unterrichtet; dann sattelten und bestiegen wir unsere Pferde und ritten durch die hintere, westliche Tür, welche wir gestern entdeckt hatten, in das Freie hinaus. Den Schlüssel zu ihr steckte ich zu mir.
Ich habe bereits gesagt, daß es hier eine Schutthalde gab, die wir hinunterreiten mußten. Dann machten wir einen Bogen um die Zitadelle herum und hielten auf den südlichen Stadtteil zu, um in dieser Richtung dem Lauf des Flusses zu folgen. Hierbei sagte der Mir, mit dem ich voranritt:
„Wundere dich nicht über mich, wenn ich so
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