25 - Ardistan und Dschinnistan II
still bin, Effendi! Es ist eine schwere, sehr schwere Zeit für mich. Ich werde von dem hohen Punkt, auf dem ich nach meiner Meinung stand, immer tiefer heruntergedrängt und habe Lehre auf Lehre hinzunehmen, um immer mehr einzusehen, daß –“
„Daß du nicht abwärts, sondern aufwärts steigst“, unterbrach ich ihn. „Daß ich wieder einmal eine Türe entdeckte, welche du nicht kanntest, darf dich nicht bedrücken.“
„O doch! Alles, was geschieht, geschieht nicht mehr durch mich, sondern durch andere. Ich fühle mich so unwissend, so unfähig, so überflüssig! Ich habe das Gefühl, daß sich jeder andere Mensch viel, viel besser zum Mir von Ardistan eignet als ich, und das macht mich –“
„Gott sei Dank!“ rief ich aus, ihn wieder unterbrechend.
„Wofür?“ fragte er schnell.
„Dafür, daß du dich für unfähig hältst! Denn das ist für mich ein Beweis, daß du ganz im Gegenteil im höchsten Grad geeignet bist, in Wirklichkeit zu werden, was du bisher nur scheinbar gewesen bist. Gott rüttelt an dir. Halte aus! Deine bisherige Stärke war Schwäche, aber deine jetzige, vermeintliche Schwäche wird dir zur Stärke und zum Ruhm werden. Denke ja nicht, daß du alles selbst wissen, selbst können und selbst tun mußt! Herrschen heißt lenken, nicht aber alles selber machen. Laß vor allen Dingen auch den Herrgott für dich denken, sorgen und arbeiten! Er tut es gern!“
Da lächelte er mich dankbar an und rief aus:
„Effendi, das ist wieder einmal so deine eigene Art; ich wollte, es wäre auch die meine!“
„Sie wird es! Glaube das!“
„Aber schwer! Bei mir häuft sich eine Last immer auf die andere. Denke an mein Weib und an meine Kinder! Sie waren mir gleichgültig, fast innerlich fremd. Euer Weihnacht hat mich mit ihnen vereinigt, und diese Vereinigung ist von Tag zu Tag immer fester geworden. Jetzt liebe ich sie, innig, innig, innig! Und da muß es nun geschehen, daß sie sich vollständig schutzlos in Ard befinden und dieser Bestie, dem ‚Panther‘, vollständig preisgegeben sind!“
„Schutzlos? Preisgegeben?“ fragte ich. „Hättest du meinen Glauben und mein Vertrauen, so würdest du das nicht sagen! Hast du denn lauter Feinde in Ard? Glaube mir: Die, welche du liebst, stehen in guter Hand! Du wirst es mir wieder sagen. Ich halte es sogar für möglich, daß du sie eher wiedersiehst, als du ahnst, viel, viel eher.“
„Du willst mich trösten, Effendi. Und es ist eigentümlich, daß gerade dein Vertrauen sich so häufig bewährt und deine Hoffnungen oft zur Verwunderung schnell in Erfüllung gehen! Heut muß ich noch aushalten, muß ich noch warten, denn um Mitternacht ist ja die ‚Dschema der Lebenden‘; morgen aber halte ich es nicht länger aus, wenn mir inzwischen nicht eine Nachricht kommt, die mich über Weib und Kind beruhigt! Doch schau, sind das nicht Menschen, da oben?“
Er deutete über die Stadt hinüber nach der Höhe, von welcher wir als Gefangene des ‚Panther‘ herabgekommen waren. Dort bewegte sich etwas. Es war ein Zug von Reitern. Sie saßen zu Pferd und auch zu Kamel. Dieser Zug war noch nicht ganz zu sehen. Er kam langsam hinter einer Felsenkrümmung hervor. Wir blieben alle halten und schauten hinauf. Da erschien eine Sänfte, noch eine und noch eine, und hinterher eine Reihe von Packkamelen, denen weitere Reiter folgten. Die Entfernung von uns bis dort hinauf war bedeutend; dennoch konnten wir die Form der Sänften ganz deutlich erkennen. Auch sahen wir, daß die erste Sänfte mit wehenden Straußenfedern, die zweite mit rotgefärbten und die dritte mit blaugefärbten Jakhaaren geschmückt war. Da stieß der Mir einen Jubelschrei aus.
„Diese Sänften sind mein, sind unser!“ rief er aus. „Sie kommen aus Ard! Mein Weib! Meine Kinder!“
Er gab dem Pferd die Sporen und jagte davon. Wir hinter ihm her. Nicht nach Süd, wohin wir gewollt hatten, sondern nach Ost, durch die Militärstadt, über die Brücke hinüber und dann durch die Zivilstadt der Höhe zu, von welcher die so außerordentlich schnelle Erfüllung meiner Worte herunterkam. Er blieb im Galopp; wir aber mäßigten nach und nach unsere Eile, um ihm Zeit zu der ersten Begrüßung zu lassen. An einem hierzu geeigneten Platz blieben wir halten und warteten.
Es dauerte einige Zeit, bis sie kamen. Er ritt strahlenden Angesichts dem ganzen Zug voran, vor sich den kleinen und hinter sich den größeren Jungen auf dem Pferd sitzend. Der erstere wurde vom Vater festgehalten, der
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