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25 - Ardistan und Dschinnistan II

25 - Ardistan und Dschinnistan II

Titel: 25 - Ardistan und Dschinnistan II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Wir fragten ihn, was es sei, wurden aber von ihm ersucht, die Auskunft, welche wir wünschten, uns mit den Augen zu holen; eine Überraschung wie die, welche uns bevorstehe, kündigte man nicht durch vorauseilende Worte an. So begaben wir uns also mit ihm nach dem Dom und stiegen den Spiralweg im Innern desselben hinauf. Als wir den Türstein aus der Öffnung stießen, um auf die freie Platte hinauszutreten, flutete uns ein warmes, goldenes Morgenlicht entgegen, und die ‚Stadt der Toten‘ lag in einem lebendig wogenden und lebendig atmenden Glanz zu unseren Füßen, als ob ihr von dem Herrn über Leben und Sterben, der alle Sonnen und alle Strahlen lenkt, erlaubt worden sei, heut Auferstehung zu feiern.
    Der Schech el Beled hatte, wie jetzt immer, sein Gesicht mit dem Schleier verhüllt. Wir sahen es nicht; wir hörten nur seine Stimme. Er deutete zunächst nach dem Fluß hinab, den man von hier oben aus sehen konnte, und sagte:
    „Seht zunächst, daß das Wasser kommt! Der Strom kehrt zurück. Es naht vielleicht die uns verheißene Zeit, in welcher der Herrgott wieder nach Ardistan kommt, um mit eigenem Mund das Heil zu verkünden. Das Wasser beginnt schon zusammenhängend zu fließen.“
    Wir sahen zu unserer Freude, daß dies richtig war. Die vereinzelten Tümpel hatten Zusammenhang gefunden. Sie flossen ineinander über und bildeten einen zusammenhängenden Wasserlauf von der Breite eines ansehnlichen Baches, der wie ein vielgewundenes, schimmerndes Band dem Lauf des trockenen Strombetts folgte.
    Dann deutete der Schech mit der Hand nach Nordwest und fragte:
    „Und wer kommt dort?“
    Indem wir unsere Blicke nach dieser Richtung wandten, sahen wir einen zweiten Bach, der noch heller schimmerte, fast wie von goldenen Blitzen durchzucktes Silber, und sich auch in zahlreichen Windungen bewegte, aber von den jäh abfallenden Felsenhöhen in das tiefe Tal herab. Es konnte also kein Wasser sein, denn das hätte wohl stürmische Kaskaden, nicht aber so ruhige Windungen gebildet, und es wäre kontinuierlich geflossen, während wir aber sahen, daß dieses bewegliche, glänzende Band zuweilen unterbrochen wurde und dunkle Lücken bekam.
    „Das sind Menschen!“ sagte Halef.
    „Und zwar Reiter!“ fügte der Dschirbani hinzu. „Sie kommen in Trupps, in einzelnen Abteilungen, die in regelmäßiger Marschordnung aufeinander folgen. Aber lauter Schimmel! Kein einziges dunkles Pferd ist dabei!“
    „Ja, lauter Schimmel“, bestätigte Halef. „Auch die Reiter sind weiß, ganz weiß, jedoch mit funkelnden Helmen, wie es scheint.“
    „Und mit Lanzen bewaffnet, an deren Spitze sich die Morgensonne bricht.“
    „Man hat mir gesagt, daß die Heerscharen des Mir von Dschinnistan so blütenweiße Pferde und so helle Mäntel haben. Ob das wohl so ist?“
    Da erklärte der Schech el Beled: „Die ihr da kommen seht, sind die Lanzenreiter von El Hadd.“
    „Also die deinigen?“ fragte der Mir, indem er sich schnell zu ihm herumdrehte.
    „Ja“, antwortete der Schech.
    „Und wie kommen die nach Ardistan, nach der ‚Stadt der Toten‘, von der doch ein jeder weiß, daß da kein einzelner Mensch genug Wasser für sich findet, viel weniger ein ganzes Heer?“
    „Es geschieht auf meinen Befehl. Ich wußte, daß das Wasser kommen werde.“
    „Auf deinen Befehl? Ich denke, hier habe nur ich zu befehlen!“ Das klang in etwas scharfem Ton. „Dürfen deine Truppen die Grenze von Ardistan ohne meine Erlaubnis überschreiten?“
    „Ich hoffe es, denn es geschah zu deinem Heil“, antwortete der Schech el Beled ruhig.
    „Zu meinem Heil? Wieso?“
    „Ich hörte von der Empörung gegen dich. Ja, man forderte mich sogar auf, mich den Verschwörern anzuschließen. Da reiste ich nach Ardistan zu dir und befahl meinen Truppen, mir, wenn ich keinen Gegenbefehl erteile, an einem bestimmten Tag zu folgen. Da sind sie nun. Ich stelle sie dir zur Verfügung gegen den ‚Panther‘ und alle, die von dir abgefallen sind. Brauchst du sie nicht, so bedarf es nur eines Winkes, und sie kehren sofort wieder um.“
    Das klang so einfach, so bescheiden, so ehrlich! Der Mir sah ein, daß seine Aufwallung unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht nur eine unberechtigte, sondern sogar eine lächerliche gewesen war. Er antwortete in einem ganz anderen, sogleich herzlichen Ton:
    „O nein! Umkehren sollen sie nicht! Sie sind mir sehr, sehr willkommen. Gegen alles Erwarten ist ja nun Wasser genug für sie vorhanden, und zu essen finden sie auch,

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