25 - Ardistan und Dschinnistan II
uns auch von den beiden Prinzen der Ussul und von den beiden Tschoban zu trennen, weil sie sich den Truppen des Dschirbani anschlossen. Von der Frau des Mir und seinen Kindern verabschiedeten wir uns ganz besonders. Als wir dann mit ihm den Maha-Lama-See durch das bekannte Tor verließen, fanden wir, daß die Lanzenreiter von El Hadd und Halihm schon aufgebrochen waren. Wir eilten ihnen über die Brücke nach und ritten, als wir sie erreichten, an ihnen vorüber, um an ihre Spitze zu kommen, wo sich der Schech el Beled, Abd el Fadl und Merhameh befanden. Wir hatten den Oberst bei uns, der mit dem Brief des ‚Panthers‘ gekommen war. Er wurde nicht als Gefangener, sondern als freier Mann betrachtet, doch hing sein Leben und sein Schicksal natürlich nur von der Entscheidung des Mir ab, die noch nicht getroffen war. Er hatte ein anderes, besseres Pferd bekommen und hinderte uns also nicht an der Schnelligkeit, die zu entwickeln war, wenn wir unsern Zweck erreichen wollten.
Ich lasse die Einzelheiten dieses Eilrittes unberührt. Die Pferde der Lanzenreiter bewährten sich in geradezu erstaunlicher Weise. Ebenso auch die Maultiere, welche neben dem Gepäck auch noch so viel Wasser, als die Truppe brauchte, zu tragen hatten. Freilich, etwas mußte unsere Schnelligkeit hierdurch vermindert werden, aber wir legten den Weg bis zum Brunnen, zu dem die Kamele bekanntlich zwei Tage brauchten, in genau vierundzwanzig Stunden zurück, so daß es eben Tag zu werden begann, als wir ihn erreichten.
Wir trafen da eine kleine Schar von Reitern, welche schliefen. Sie gehörten zu den Leuten des ‚Panther‘, welchen befohlen war, den Weg nach der ‚Stadt der Toten‘ zu versperren. Wir nahmen sie einfach gefangen und ließen sie von einer kleinen Abteilung von El Hadd bewachen, die sie dem Dschirbani zu übergeben und uns dann nachzufolgen hatte.
Hier wurde natürlich alles getränkt, was Durst hatte. Dabei ruhten wir uns und unsere Tiere so weit aus, daß wir ihnen zumuten durften, dann bis heute abend wieder auf den Beinen zu sein. Von da an führte der Weg zunächst durch Steppenland, in dem sich nur selten eine menschliche Wohnung zeigte. Dann aber, als die Steppe zur grasigen Weide wurde, an die sich nach und nach immer mehr Felder schlossen, mehrten sich die Hütten und Häuser. Wir trafen sogar schon auf geschlossene Ortschaften, und da war es natürlich unmöglich, vereint weiterzumarschieren; wir mußten uns trennen. Es lag ja überhaupt im Plan, die Stadt nicht von einer Seite, sondern von zwei entgegengesetzten Seiten anzugreifen, nämlich von Süden und Norden zu gleicher Zeit. Wir teilten uns also. Der Schech el Beled von El Hadd schlug mit seinen Reitern eine nördlichere Richtung ein, um dort vor allen Dingen die Verbindung des ‚Panther‘ mit der Stadt zu durchschneiden und dann zu einer Stunde, welche fest bestimmt wurde, von Norden her in die Straßen einzudringen und am Schloß mit uns, die wir von Süden kamen, zusammenzutreffen.
Von jetzt an mehrten sich die Wohnstätten, die Dörfer. Wo man uns sah, war man erstaunt oder gar erschrocken. Im letzteren Fall ergriff man sogar die Flucht. Je weiter von der Hauptstadt entfernt, desto weniger hatte man sich um die Politik gekümmert und an dem Aufstand direkt beteiligt. Aber je näher wir kamen, desto unsicherer fühlte man sich, sobald man uns sah, und um so häufiger beeilte man sich, vor unseren Augen zu verschwinden. Ein Grund hierzu lag wohl auch in dem Umstand, daß Reiter wie die von Halihm hier eine vollständig unbekannte Erscheinung waren. Ihre enganliegenden, rhomboidisch geflochtenen Lederanzüge schienen blaustählerne Panzer zu sein. Helme, wie sie trugen, gab es hier noch nie, und auch Pferde von der Rasse und Farbe, die sie ritten, waren in Ardistan noch nicht gesehen worden.
Einmal aber geschah es doch, daß man nicht vor uns floh, sondern ganz im Gegenteil uns entgegenkam. Das war am zweiten Spätnachmittag, ungefähr sechs Reitstunden von der Stadt entfernt, auf einer Ebene, die von einem einzelnen, hohen, turmähnlichen Felsen beherrscht wurde, von welchem aus man uns sogar erwartet zu haben schien. Denn da oben gab es Leute, die, sobald sie uns kommen sahen, schnell herunterstiegen und uns entgegeneilten. Als uns der erste von ihnen erreichte, erkannte ich in ihm den Ministranten unseres alten, guten, ehrwürdigen Basch Nasrani, des christlichen Oberpriesters. Die andern waren Handwerker, welche zu Weihnacht mit an unserem
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