25 - Ardistan und Dschinnistan II
Dschirbani, der ja der Längste von uns war. Der Prinz befand sich in einer großen Aufregung. Diese hatte jedenfalls nicht nur einen einzigen Grund. Zu der bereits schon angedeuteten Besorgnis kam eine zweite. Er sah jetzt, daß von hier aus alles, was da drin in der Spalte geschah, beobachtet und gehört werden konnte, und er wußte nicht, daß ich diesen Ort erst vor ganz kurzem entdeckt hatte. Darum nahm er an, daß auch er mit seinen beiden Gefährten belauscht worden sei, und da er mit ihnen jedenfalls sehr aufrichtig und über alles mögliche gesprochen hatte, so mußte er befürchten, daß alle ihre und seine Geheimnisse von uns entdeckt worden seien. Er sagte zwar nichts, doch sah man ihm und seiner großen Unruhe deutlich an, daß er diese oder ähnliche Gedanken hegte.
Es dauerte gar nicht lange, so entledigte sich Hadschi Halef des Auftrags, der ihm erteilt worden war: Die Dschunub wurden gebracht, vom Maha-Lama bis zum bestimmten Offizier herab, die anderen, tieferstehenden aber nicht. Wir konnten sie sehr deutlich sehen. Sie waren zunächst still. Sie beschäftigten sich damit, die Plätze nach Rang und Stand zu verteilen. Dabei wurde die größte Achtung dem Maha-Lama zuteil, den wir infolgedessen als den Höchstgestellten von ihnen zu betrachten hatten. Sie untersuchten ihren neuen Aufenthaltsort sehr aufmerksam, entdeckten aber die Löcher, durch die wir zu ihnen hinüberschauten nicht, weil diese im Finstern lagen. Als sie sich niedergesetzt hatten, begannen sie, sich zu unterhalten, aber in ganz gewöhnlicher Weise und über vollständig gleichgültige Dinge. Hieran war wohl die übermäßige Verehrung dieser Leute für den Lama schuld. Es durfte kein Thema berührt werden, welches nicht er selbst zum Gegenstand des Gesprächs machte. Dieser Umstand durchkreuzte unsere Absicht. Wir warteten eine Weile; dann sagte der Scheik der Tschoban, natürlich leise, um da drüben nicht gehört zu werden:
„Das sind Lamagläubige! Langsame, geistlose, indolente Menschen! Wer sie sprechen hören will, wird stundenlang zu warten haben!“
„Sie werden sprechen, und zwar sofort“, antwortete der Dschirbani ebenso leise. „Effendi, ich bitte dich, zu ihnen zu gehen und sie zum Sprechen zu bringen!“
„Gibst du mir bestimmte Weisungen mit?“ fragte ich ihn.
„Nein. Du wirst das Richtige von selbst viel eher treffen, als wenn ich es dir sage.“
Da kletterte ich aus unserem Versteck hinaus und trat dann drüben bei den Gefangenen ein. Der Maha-Lama war von dem Dschirbani zunächst als Freund behandelt worden, er hatte da auch von mir gehört; aber er und der Minister hatten mich noch nicht gesehen. Die Offiziere aber hatten mich gesehen, mich sogar als ihren Gefangenen betrachtet, aber nicht gewußt, wer ich war. Nun befanden sie sich schon längere Zeit beisammen, hatten einander ihre Erlebnisse berichtet und dann jedenfalls auch von mir gesprochen. Dementsprechend wurde ich von ihnen empfangen. Als der Stratege mich sah, rief er aus:
„Der Ungehorsame, den ich bestrafen werde!“
„Der Besitzer des schönsten Pferdes, welches ich sah!“ sagte der General, dem mein Syrr jedenfalls mehr imponiert hatte, als ich selbst.
„Also wohl der Christ, von dem uns der Dschirbani erzählte, als er uns noch als seine Verbündeten betrachtete“, fügte der Minister hinzu.
Ich verbeugte mich zunächst leichthin vor ihnen allen, dann vor dem Maha-Lama einmal noch etwas tiefer und sprach zu ihm:
„Ich bin gezwungen, dich zu belästigen. Der Oberstkommandierende der Ussul sendet mich zu dir.“
Er runzelte die Stirn. Er war tiefere Verbeugungen und demütigere Worte gewöhnt.
„Wer bist du?“ fragte er.
„Man nennt mich Kara Ben Nemsi –“
„Also wirklich der Christ!“ unterbrach er mich, zu dem Minister gewendet.
„Ganz richtig, der Christ!“ bestätigte ich. „Ich bin zu euch gesandt, um euch zu sagen, warum man euch ein anderes Gefängnis angewiesen hat. Wir wünschen nämlich, daß –“
„Was ihr wünscht, ist mir gleichgültig!“ unterbrach er mich abermals. „Nicht eure, sondern meine Wünsche haben in erster Linie beachtet zu werden. Ihr behandelt uns nicht nur als Feinde, sondern auch als niedrigstehende Menschen, während ich doch der Maha-Lama von Dschunubistan bin, der höchste aller Priester, die es gibt!“
„Bist du fertig mit diesem deinem Satz, den du begonnen hast?“
„Ja. Ich pflege überhaupt jeden angefangenen Satz zu beenden. Warum fragst du so?“
„Weil
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