25 - Ardistan und Dschinnistan II
andere ein. Unklug und undankbar habt nur ihr gehandelt, nicht aber die Ussul!“
„Wir? Beweise es!“ fuhr der Minister auf.
„Beweise es!“ rief mir der Maha-Lama befehlend zu.
„Beweise es! Beweise es! Beweise es!“ wiederholten auch die andern.
„Nichts leichter als das“, antwortete ich. „Ihr habt zugegeben, daß die Tschoban eure Todfeinde sind und daß die Ussul euch helfen sollten, euch von ihnen zu befreien. Schon die Dankbarkeit gebot euch also, ehrlich gegen uns zu sein; ihr werdet aber gleich hören, daß ihr das Gegenteil von ehrlich, also undankbar, gewesen seid. Und wie jede Undankbarkeit und Unehrlichkeit zugleich auch unklug ist, so habt auch ihr jede Spur von Klugheit von euch geworfen, als ihr des Abends da unten am Fluß lagertet und, ehe ihr euch schlafen legtet, über Dinge redetet, die kein Ussul jemals erfahren durfte. Ich kam desselben Weges, doch euch entgegen. Ich sah euer Feuer. Ich stieg vom Pferd und schlich mich ganz zu euch heran. Ich lag auf der andern Seite des Baums, an dessen Stamm ihr nebeneinander saßet. Ich hörte jedes Wort, welches von euch gesprochen wurde –“
„Du hast uns belauscht?“ fuhr der Minister auf.
„Belauscht!“ rief der noch Höhere. „Belauscht! Mich, den Maha-Lama von Dschunubistan!“
„Ja, belauscht!“ antwortete ich. „Ich werde es euch beweisen, indem ich euch wiederhole, was ich da alles hörte.“
Ich tat es. Ich beschrieb ihnen die ganze damalige Situation und sagte ihnen jedes Wort, welches, während ich in ihrer Nähe lag, von ihnen gesprochen worden war. Sie saßen ganz still und bewegungslos. Es sah aus, als ob sie gar nicht Atem holten. Sie wagten gar nicht, zu leugnen, zu widersprechen, sich zu entschuldigen. Sie waren einfach starr. Und da ließ sich plötzlich eine ganz eigentümlich dumpfe Stimme hören, die so klang, als ob sie aus den höchsten Wolken oder aus dem tiefsten Erdinnern ertönte:
„Effendi, es ist gut; es ist gut! Sprich weiter kein Wort mit diesen Lügnern, mit diesen Verrätern, mit diesen Schurken, Schuften und Halunken! Speie sie an! Spucke ihnen ins Gesicht! Und komm wieder heraus zu ehrlichen Leuten, zu uns!“
Die Dschunub erschraken auf das heftigste. Sie sprangen auf; sie schrien durcheinander. Da ging ich hinaus, an Halef und seinem Hund vorüber, zu den beiden Ussul, welche den Prinzen vorhin nach seinem jetzigen Versteck getragen hatten. Ich gab ihnen den Auftrag, ihn wieder zu holen, und sie taten es. Er war es, der mir jene dumpf klingenden Worte zugerufen hatte. Als sie ihn aus der Spalte heraushoben und er mich stehen sah, wartete er gar nicht, bis sie ihn in meine Nähe brachten, sondern rief mir schon von weitem zu:
„Effendi, du hast gesiegt, vollständig gesiegt! Ich tue alles, was du willst! Ich bin mit allem, allem einverstanden, was ihr beschließt und tut; nur erlaube, daß ich mich als Hund da neben euern Hund setze, um diese elenden Buben zu bewachen!“
Er sagte diese Worte zu mir. Aber nicht ich, sondern der Dschirbani antworte ihm:
„Es sei dir erlaubt!“ Und sich an die beiden Ussul wendend, fügte er hinzu: „Setzt ihn dahin, wo er gewünscht hat, zu sein. Er hat ein Recht, diesen Platz von uns zu fordern.“
Sie taten es. Der ‚Panther‘ war von seinem Zorn so beherrscht, daß er jetzt wirklich nur an die dachte, von denen er sich betrogen fühlte, nicht aber daran, daß sich jetzt binnen wenigen Minuten das Schicksal seines Volks zu entscheiden hatte. Hieraus war zu ersehen: Mochte er noch so begabt sein, ein großer Mann zu werden, war ihm versagt. Das Naturell herrschte wie ein wildes Tier in seinem Innern; es hieß wie er selbst auch – Panther! Als ich mit ihm sprach, bevor der Dschirbani mich von ihm wegholte, hatte ich ihm noch nicht alles gesagt, was ich ihm sagen wollte; es gab noch sehr Wichtiges hinzuzufügen. Das fühlte aber nur ich allein, nicht er. War er überhaupt fähig, zu wachsen wie ein organisches Wesen, oder wenigstens zu kristallisieren wie ein anorganisches, wie ein edler Stein? Oder wuchs er nur in der Weise, daß er festhielt, was ihm vom Augenblick angeblasen wurde, es mochte sein, was und wie es wollte?
Es war bezeichnend, daß sein Vater kein einziges Wort fallen ließ, ihn in seinem rachsüchtigen Wunsch zu unterstützen oder zu hindern. Auf ihn hatte das Erlauschte nicht weniger gewirkt als auf seinen Sohn; aber er dachte zunächst nicht an sich und an die Rache, sondern an sein Volk, welches in Gefahr stand, das Beste zu
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