25 - Ardistan und Dschinnistan II
auch ich gewohnt bin, mich nicht unterbrechen zu lassen. Ich ließ dich deinen Satz vollenden, weil ich gelernt habe, höflich zu sein. Du aber hast mich im dritten Teil einer Minute schon zweimal unterbrochen. Wenn du das so weiter tust, muß ich dich für den unhöflichsten aller Menschen halten, die es gibt, und komme im Leben nicht dazu, dir zu sagen, was ich zu sagen habe.“
Als er das hörte, wurden seine Augen noch einmal so groß, und sein Gesicht drückte den allergrößten Grad des göttlichen Erstaunens aus. Ich aber fuhr fort:
„Soeben hat der oberste Minister des Scheiks von Dschunubistan erwähnt, daß ihr als Verbündete der Ussul betrachtet worden seid. Ist es denn eure Absicht gewesen, daß dies geschehe?“
„Natürlich!“ antwortete der Minister. „Man hat dich uns als den Vertrauten des Dschirbani bezeichnet; du scheinst das aber nicht zu sein, denn wärst du es, so könntest du nicht so fragen! Hat er dir nicht gesagt, daß wir gekommen sind, einen Bund mit den Ussul zu schließen?“
„Einen Bund? Gegen wen?“
„Gegen die Tschoban.“
„Warum? Sind die Tschoban eure Feinde?“
„Sie sind noch niemals unsere Freunde gewesen, seit es überhaupt Tschoban und Dschunub gibt. Und genau ebensolange ist es her, daß sie auch Feinde der Ussul gewesen sind. Darum ist es uns als ebenso natürlich wie notwendig erschienen, daß die Ussul und die Dschunub sich verbinden, um diese ihre gemeinsamen Feinde zu vernichten. Die beste Gelegenheit hierzu ergab sich jetzt, als wir erfuhren, daß die Tschoban über den Engpaß Chatar gehen wollen, um die Ussul zu überfallen. Wir sammelten sofort unsere Krieger, um den Ussul zu Hilfe zu eilen. Unser Scheik sandte seine beiden höchsten Männer des Landes, den Maha-Lama und mich, zu ihnen, um sie hiervon zu benachrichtigen und einen Bündnisvertrag mit ihnen abzuschließen. Und dann machte sich sogar auch noch der berühmteste Stratege unseres Heeres mit allen seinen Chargen auf den Weg, um den Ussul mitzuteilen, daß wir ihnen die Tschoban auf dem schmalen Engpaß entgegentreiben wollen, wo sie weder nach rechts noch nach links zu entfliehen vermögen und wie zwischen zwei Fäusten zerquetscht, zermalmt und vernichtet werden können!“
„Das, das habt ihr gewollt? Das, das habt ihr getan?“ fragte ich im Ton der Verwunderung.
„Allerdings!“ antwortete er. „Hast du das nicht gewußt?“
„Ich habe etwas ganz anderes gewußt! Wenn ich deinen Worten glauben soll, so muß ich dich bitten, daß der Maha-Lama sie mir bestätige. Es scheint, daß die Ussul in Beziehung auf eure Ehrlichkeit und auf euern guten Willen getäuscht werden sollen. Es ist also höchst wünschenswert, daß zwischen euch und ihnen die Wahrheit so klar und bestimmt festgestellt wird, daß jeder bisherige Irrtum schwindet. Darum frage ich hiermit den allerhöchsten Priester von Dschunubistan, ob er bereit ist, zu bestätigen, was der oberste Minister soeben hier behauptet hat.“
Es war möglich, daß die drei Lauscher nicht alles deutlich verstanden hatten; darum griff ich zu der List, dem Maha-Lama die wichtigen Punkte nochmals vorzulegen und sie mir von ihm beantworten zu lassen. Ich hatte ihn den ‚allerhöchsten Priester von Dschunubistan‘ genannt; das genügte, ihn einigermaßen mit mir auszusöhnen. Sein Gesicht nahm einen weniger finsteren Ausdruck an und er antwortete:
„Ich bestätige es!“
„Daß die Tschoban eure Todfeinde sind?“
Ich legte ihm diese Frage und die hierauf folgenden so langsam und so deutlich vor, daß es gar nicht anders möglich war, sie mußten von den Lauschern verstanden werden.
„Ja“, antwortete er.
„Daß ihr sie vernichten wollt?“
„Ja; mit Hilfe der Ussul.“
„Daß ihr hierher kamt, zu diesem Zweck ein Bündnis mit den Ussul zu schließen?“
„So ist es. Mit den Ussul gegen die Tschoban.“
„Euer Heer ist schon unterwegs?“
„Ja. Dreitausend Mann.“
„Die Tschoban sollen hier auf der Landenge zwischen euch und die Ussul genommen und vollständig zerdrückt und ausgerottet werden?“
„Ja“, antwortete er. „Das ist das richtige Wort: Zerdrückt und ausgerottet. Kein einziger darf übrigbleiben! Glaubst du nun, daß wir als Freunde der Ussul gekommen sind? Siehst du nun ein, wie unklug und wie undankbar sie handeln, indem sie uns, ihre Befreier und Erlöser, wie Verbrecher einsperren und von Hunden bewachen lassen?“
„Nein“, antwortete ich. „Weder glaube ich das eine, noch sehe ich das
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