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25 - Ardistan und Dschinnistan II

25 - Ardistan und Dschinnistan II

Titel: 25 - Ardistan und Dschinnistan II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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saß die eine am Steuer. Die andere stand hoch aufgerichtet vorn am Bug und gab an, zwischen welchen Felsen, Kanten und Klippen nach dem Landungsplatz zu steuern sei. Sie war ernst und dunkel gekleidet, aber ein weißer Schleier wehte von ihrem Haupt, und ihr Haar hing vorn in zwei silberhellen Zöpfen fast bis zur Erde herab.
    „Maschallah!“ rief Halef aus. „Ist das eine Vision? Oder ist es Wahrheit? Effendi, siehst du sie?“
    „Marah Durimeh!“ antwortete ich.
    „Und Schakara am Steuer! Erkennst du sie?“
    „Ja; sie ist es!“
    Was ich empfand, war nicht Überraschung, sondern es war mehr, viel mehr. Doch behielt ich es still im Innern. Sie kamen. Sie legten an. Sie stiegen aus. Der Schech el Beled griff dabei nach Marah Durimehs Hand, um sie zu stützen. Ich tat dasselbe bei Schakara.
    „Kommen wir zur rechten Zeit?“ fragte mich die letztere.
    „Wenn ihr zugleich mit uns hier eintreffen wolltet, dann ja“, antwortete ich.
    Sie war so ernst und doch so seelenlieb. Sie hatte das Boot gesteuert und besaß doch die guten, weichen Augen eines Kindes, welches noch nichts von Schicksalswillen und Schicksalslenkung weiß! Marah Durimeh reichte mir ihre Rechte, begrüßte mich mit einem Kuß auf die Stirn und sprach:
    „Wem mein Erscheinen hier ein Rätsel ist, dem wird es sich bald lösen. Wir reiten direkt zum Engel.“
    Der Mir von Ardistan stand unbeweglich da, kein Auge von ihr verwendend. Er machte den Eindruck eines Mannes, der fast nicht wagte, Atem zu holen. So tief fühlte er sich von der Erscheinung meiner königlichen Freundin ergriffen. Er kam in Bewegung, als sie zu dem für sie bestimmten Pferd trat. Da eilte er hin, kniete vor ihr nieder und bot ihr Hand und Schulter an, sich in den Sattel zu schwingen. Sie tat dies mit jugendlicher Behendigkeit und sagte dann zu ihm:
    „Ich danke dir! Kommt beide mir zur Seite, du und der Schech! Machen wir einen Umweg! Wir reiten ein Stück am Wasser hin, und ihr erstattet mir Bericht.“ Und den Lanzenreitern befahl sie: „Eilt zur Herrin, und meldet ihr, daß ich angekommen bin!“
    Dann zügelte sie ihren Zelter nach West, der untergehenden Sonne entgegen, die jetzt dem Horizont so nahe stand, daß strahlende Feuergarben über das Wasser zuckten und der ganze dortige Himmel in Flammengluten stand. Schakara ritt zwischen dem Dschirbani und mir. Halef und der Scheik der Ussul kamen hinter uns. Wir folgten dem Ufer in langsamem Schritt. Der Schech el Beled erzählte. Marah Durimeh hörte zu. Der Mir von Ardistan sagte fast kein Wort. Es war, als ob ein vollständig überwältigendes Gefühl oder eine Art Zauber ihn umfange. Auch der Dschirbani war still. Wir standen ja alle jetzt unter der außerordentlichen, seltsamen Empfindung, als ob hier oben auf dieser Höhe die Grenzen der Gewöhnlichkeit überschritten seien und nur noch Erstaunlichkeiten oder gar Wunder sich ereignen könnten. Der Schech el Beled faßte sich kurz. Darum hatte er seinen Bericht soeben beendet, als die Sonne verschwand und das strahlende Gold sich in glühendes Rot und abschiednehmendes Violett zu verwandeln begann. Da lenkte Marah Durimeh dem Schloß zu, indem sie sagte:
    „So weiß ich nun, was geschehen ist. Es war grad so und nicht anders vorauszusehen. Die Zeit dieser Menschen ist dahin. Sie verschwindet, wie die Sonne da vorn verschwunden ist und wie die letzten Farben des irdischen Himmels verschwinden werden. Zwar kommt morgen ein neuer Tag, unaufhaltsam und unwiderstehlich, aber er ist ein ganz andrer Tag als der heutige. Die Erde sehnt sich nach Ruhe, die Menschheit nach Frieden, und die Geschichte will nicht mehr Taten der Gewalt und des Hasses, sondern Taten der Liebe verzeichnen. Sie beginnt, sich ihrer bisherigen rohen, blutigen Heldentümer zu schämen. Sie schmiedet neue, goldene und diamantene Reisen, um von nun an nur noch Helden der Wissenschaft und der Kunst, des wahren Glaubens und der edlen Menschlichkeit, der ehrlichen Arbeit und des begeisterten Bürgersinnes zu krönen. Die Gewalt herrsche nur noch heut, länger aber nicht. Es sei ihr nur noch diese eine Nacht vergönnt, die Seelen der Menschen zu erschrecken und zu quälen, wie das Wölkchen, welches sich dort von Norden her über den See uns nähern will, seine Blitze und Donner nur bis gegen Mitternacht versenden wird. Schon morgen früh aber sollen diese Menschen aufatmen und jubeln, wie hoch über uns das Wort Gottes in der Bibel jubelt: Der gestrige Tage ist vergangen; es ist alles neu

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